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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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sanft die Daumen hinein.
    »Spürt Ihr das Weiche in der Senke unter dem Knochen?«
    Ich nickte.
    »Das ist ein Energietor.« Er sah zu Boden, vorbei an dem in Wadenhöhe zu einem Knoten gerafften Saum meines Gewands. »Auch in jedem Fuß gibt es eines, in der weichen Mitte unter dem Ballen. Durch diese vier Tore kann der Körper Hua aus der Erde und von überall ringsum ziehen. Das fünfte Tor befindet sich unter der Schädeldecke.«
    »Am Sitz des Geistes?«, fragte ich und beobachtete ihn scharf. »Wo Ihr das schwarze Loch habt?«
    »Nein, darüber«, sagte er knapp.
    Er ließ meine Mondhand los und presste die Rechte auf den flachen Bauch. Unter seinen Fingern zeichneten sich die senkrechten Muskelstränge links und rechts des mittigen Meridians ab. »Hinter dem Nabel finden die fünf Tore zusammen. Dort liegen das Gleichgewichtszentrum und der Brennpunkt des Hua. Diese Zone heißt Achse.«
    Er hielt immer noch meine andere Hand.
    »Achse?«
    »Dort beginnt jedes Gleichgewicht – das körperliche sowie das geistige und das seelische.«
    Er führte meine Hand nach unten und drückte sie mir über dem Achsenpunkt auf den Bauch. Das dünne Gewand klebte an meiner feuchten Haut.
    »Dahinter. Von dort muss man das Hua ziehen. Spürt Ihr es?«
    »Ja.« Doch ich spürte nur seine warme Hand auf der meinen.
    »Atmet«, fuhr er fort. »Richtet Eure innere Wahrnehmung auf diesen Punkt.«
    Ich sah über seine Schulter und konzentrierte mich auf den Jasminbusch, doch mein Körper war wie ein donnernder Puls, der durch unsere Hände hallte. Ich holte Luft und sog den Geruch seiner stundenlangen Mühsal und Selbstbeherrschung ein, und seine erdige Männlichkeit mischte sich mit dem Duft von Jasmin. Mein Blick zuckte über seine geplatzte Lippe und über seine geblähten Nasenlöcher. Seine schwarzen Pupillen hatten das fahle Gold seiner Augen fast ganz verschlungen.
    »Gut«, sagte er gepresst. »Haltet das Hua beim Ausatmen in der Achse.«
    Ich atmete aus und bemerkte, dass unsere Hände sich zusammen bewegten. Er beugte sich näher und neigte den Kopf zu mir.
    »Wollt Ihr das wirklich tun, Eona?«
    »Was?«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ihr übt Zwang auf mich aus.«
    »Das tue ich nicht«, erwiderte ich.
    »Doch, das tut Ihr.«
    Er zog meine Hand an seine Brust. Durch seine feuchten Muskeln spürte ich, wie sein Puls bei meiner Berührung schneller wurde. Ich schluckte, mein Mund war plötzlich ganz trocken. Sein Rhythmus war in meinem Blut. Ich übte tatsächlich Zwang auf ihn aus, aber auf andere Weise. Es war ein Ruf, keine Nötigung.
    »Es tut mir leid.« Ich wollte die Hand wegziehen, doch er presste sie fest an seine Brust.
    »Ich beklage mich ja gar nicht.«
    Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht richtig. Diese dunkle Anziehung fühlte sich noch falscher an, als wenn ich ihn verletzte. Und doch zog es mich genauso heftig zu ihm hin, wie es ihn zu mir hinzog. Ich riss meine Hand los, ging ein Stück zurück und unterbrach die feine Verbindung.
    Ido atmete lang und stoßweise aus.
    »Das war eine Art Gan Hua, oder?«, fragte ich.
    Er berührte seine Brust. »Es sieht ganz so aus.«
    »Ich weiß nicht, wie ich es beherrschen soll.« Ich packte ihn am Arm. »Ihr müsst es mir beibringen.«
    Er blickte hinunter auf meinen verzweifelten Griff. »Habt keine Angst vor Eurer Macht, Eona. Sie ist eine Gabe.«
    »Aber es fühlt sich nicht an wie eine Gabe. Es fühlt sich an wie etwas, das außer Kontrolle ist.«
    »Natürlich ist es außer Kontrolle. Gan Hua ist Chaos.«
    »Aber es ist gefährlich«, sagte ich. »Während meiner Übungen als Bewerber um die Ausbildung zum Drachenauge –«
    »Damals haben verängstigte Männer euch Unsinn gelehrt.« Er tat die Ausbildung mit einer Handbewegung ab. »Wir können das Hua zu Gan oder zu Lin destillieren, zu Chaos oder zu Ordnung, und beide Kräfte sind nicht an sich gefährlich, sind nicht wesenhaft gut oder schlecht. Sie sind nur. Im Rat der Drachenaugen waren lauter Narren.« Er schüttelte den Kopf. »Diese Leute haben nie verstanden, was für eine außergewöhnliche Macht aus dem Chaos kommt. Aber Ihr versteht das. Ihr setzt Gan Hua auf eine Weise ein, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich wünschte nur, ich hätte Eure Fähigkeiten.«
    »Aber Ihr habt doch auch Gan Hua benutzt, um Euch in Euren Drachen zurückzuziehen.«
    Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Das war nur ein plumper Versuch verglichen mit Euch, und nur ein letzter

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