EONA - Das letzte Drachenauge
nichts Warmes und seine vollen Lippen zeigten kein Mitgefühl. Alles an ihm war angespannt und verzerrt, so wie die hässliche Narbe, die sich über seine Nase und seine Wange zog.
»Weißt du, wo du bist, Mädchen?«
Ich nickte. Wenigstens konnte ich den Kopf bewegen. Ich kämpfte gegen die unsichtbaren Fesseln des schwarzen Buches. Konnte ich seine Macht rufen, wie ich es mit Dillon getan hatte? Ich konzentrierte mich auf die Energie, die mich an das Bett fesselte. Komm , rief ich lautlos. Komm zu mir. Meine Verzweiflung arbeitete sich bebend durch den Zwang, dem ich unterworfen war, doch das Buch antwortete nicht. Ich war nicht stark genug, die Umklammerung durch Sethons Blut zu sprengen.
Er kam das kurze Stück zu mir herüber und seine schweren Schritte hallten in meiner Brust wider. Ich zuckte zusammen, als er sich herabbeugte und seinen dicken Zeigefinger unter die blutbefleckten Perlen schob.
»Und du spürst, wie ich deinen Willen unterwerfe? Und deinen Körper beherrsche?«
»Ja«, flüsterte ich.
Er neigte den Kopf zur Seite. »Überprüfen wir das doch, ja? Schauen wir, ob diese Blutmacht tatsächlich wirkt.«
Er drückte den schwieligen Daumen gegen meinen kleinen Finger und bog ihn langsam zurück. Der Schmerz wurde immer stärker. Ich keuchte, doch mein Bedürfnis, die Hand aus seinem Griff zu winden, scheiterte an der Mauer seines Zwangs.
»Ich werde ihn dir brechen«, sagte er.
»Nein, bitte. Ich kann die Hand nicht bewegen!«
»Bist du sicher?« Er lächelte mich an, während ich keuchte vor Angst, und drückte noch fester dagegen.
»Nein! Wirklich nicht! «
Er bog ihn noch weiter zurück und der Knochen brach. Ein jäher Schmerz schoss mir durch den Arm. Ich schrie, mein Körper zuckte und mein Verstand raste, in dem Bedürfnis, meine Hand schützend an die Brust zu drücken.
Er zog die Luft tief ein, so als wenn er meinen Schmerz einatmen würde. »Erregend«, sagte er. »Ich verstehe, warum du es genossen hast, Ido deinem Willen zu unterwerfen.« Er ließ meine Hände los und sie fielen mit dem schwarzen Buch in meinen Schoß. Einen düsteren Moment lang drehte sich mir alles vor den Augen. »Es wird sehr interessant werden, Eure Fähigkeiten zu erkunden, Lady Eona.« Er fasste mein Kinn mit Daumen und Zeigefinger und bog mir den Kopf in den Nacken.
»Majestät.« Yuso tauchte neben ihm auf, die Hände zu Fäusten geballt. »Ich habe Euch Lady Eona und das Buch gebracht. Ich habe getan, was Ihr gewünscht habt.«
Sethon winkte ihn weg. »Später, Yuso.«
Wieso hatte ich nicht bemerkt, dass Yuso ein Verräter war? Fieberhaft ging ich im Geist die letzten Wochen durch und forschte nach übersehenen Hinweisen.
»Ihr habt im Palast Alarm geschlagen, nicht wahr?«, fragte ich. »Und Ihr habt in Sokaya die Armee geholt. Habt Ihr auch auf Ido geschossen und Jun umgebracht?«
Yuso blickte von mir weg.
»Mistkerl!« Ich legte meinen ganzen Zorn in dieses Wort.
»Majestät«, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Bitte. Ihr habt mir meinen Sohn versprochen, sobald ich Euch das Mädchen und das Buch gebracht habe.«
Sethon beugte sich näher zu mir, als wollte er mir ein Geheimnis anvertrauen. Ich atmete seinen Geruch – sauer und metallisch – und musste schlucken vor Ekel. Es war wie ein Echo des schwarzen Buchs. »Anders als Ihr, Lady Eona, ist Yusos Sohn nicht sehr tapfer«, sagte er. »Als ich ihm die Finger gebrochen habe, ist er ohnmächtig geworden. Wenn ich ihn wegen der Unverschämtheit seines Vaters auspeitschen ließe, würde ihn das umbringen.«
Auf Yusos Stirn pochte eine Ader.
Sethon wies mit dem Kopf zur Zeltwand. »Wartet dort drüben, Hauptmann. Ich habe noch Arbeit für Euch.«
Er sah zu, wie Yuso seinen Zorn im Zaum hielt und sich mit einer Verneigung zurückzog.
»Liebe ist eine Schwäche, aus der sich wunderbar Nutzen ziehen lässt«, sagte Sethon und musterte mich wieder kalt. »Yuso hat mir gesagt, mein Neffe und Lord Ido werden dir zu Hilfe kommen.« Er drückte mir den Daumen auf die Lippen. »Was hast du nur, dass zwei mächtige Männer deinetwegen in den Untergang rennen? Liegt es nur an deinem Drachen oder noch an etwas anderem?«
»Sie werden nicht kommen«, krächzte ich.
Er tippte mir ganz leicht auf die Wange. »Wir wissen beide, dass sie kommen, noch bevor der Tag um ist. Du bist der perfekte Köder.«
Ich biss die Zähne aufeinander. Er hatte recht.
Er beugte sich über einen kleinen Tisch neben dem Sessel. Um mich herum gab es
Weitere Kostenlose Bücher