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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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keine dicken Teppiche, nur nackten Boden. Er nahm ein langes, dünnes Messer. Die Umrisse von Klingen, Haken und einem Holzhammer flimmerten in meinen Augenwinkeln. Solche Werkzeuge hatte ich schon einmal gesehen: in Idos Gefängniszelle. Die Erinnerung durchzuckte mich und ich hatte den Drang, wegzurennen. Oder zu kämpfen. Doch ich konnte mich nicht bewegen.
    »Mein Neffe wird Euch retten wollen«, sagte Sethon. »Und bei diesem Versuch wird er mir die Kaiserliche Perle bringen, die an seinem starken, von jungem Blut durchpulsten Hals sitzt.« Er hob das Messer und begutachtete die geschliffene Schneide. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn Yuso ihn getötet und mir die Perle gebracht hätte, aber der Überlieferung zufolge muss sie binnen zwölf Atemzügen von einem Träger auf den anderen übergehen.« Er zuckte die Achseln. »Man weiß nie, ob solche Geschichten stimmen.«
    Er zerrte an meinem Kragen und entblößte die Stelle oberhalb der Brust. Im Geiste schlug und trat ich nach ihm, doch mein Körper blieb ihm reglos ausgeliefert.
    »Ido glaubt tatsächlich, Ihr seid der Schlüssel zur Perlenkette«, sagte Sethon. »Er hat viel ausgehalten, bevor er seine Geheimnisse preisgab, aber am Ende war er sehr … entgegenkommend, was Euch und das schwarze Buch angeht.« Er hielt inne und strich mit dem Zeigefinger über mein Schlüsselbein. »Eine Leine, die aus dem Hua Eures Drachen gefertigt ist. Das war das Letzte, was er mir verraten hat, bevor ich ihn an die Schattenwelt verlor.«
    »Was?«
    Sethon musterte mich. »Hat Ido Euch das nicht erzählt?« Er lachte leise in sich hinein. »Er spielt also immer noch Spielchen.« Sethon tätschelte meine Wange. »Das schwarze Buch besteht aus der Essenz aller zwölf Drachen. Die ersten Drachenaugen haben es erschaffen. Ihr seid gefangen worden von Euresgleichen.«
    »Nein!«
    Doch die Wahrheit, die in seinen Worten lag, erschütterte mich. Von meiner ersten Berührung des schwarzen Buchs an hatte ich gespürt, wie seine Macht nach uns beiden griff – nach dem Spiegeldrachen und nach mir. Aber warum hätten die ersten Drachenaugen so etwas tun sollen?
    Ich fragte mich, was Ido mir sonst noch verschwiegen hatte.
    Dann drückte Sethon mir das Messer leicht an den Hals und meine Welt schnurrte zusammen auf die dünne Klinge und auf die Hand, die sie hielt.
    »Yuso zufolge könnt Ihr Euch selbst heilen, Lady Eona. Und zwar immer wieder.« Er bewegte die Hand so, dass die Klinge mir leicht in den Hals schnitt. Blut quoll an der Schneide entlang hervor und im nächsten Moment spürte ich den Schmerz. »Erkunden wir doch einmal, wie weit diese Leine reicht.«
    Ich hatte schon einmal eine Schnittwunde davongetragen und spürte erneut den kurzen Schreck bei dem Streich im Gefecht, doch diese Verletzung war anders. Langsam und mit Bedacht, ein sorgfältiges Ritzen meines Fleisches, das mich hinter seiner blutigen Spur in einen immer heftiger werdenden Schmerz hineinriss. Ich schrie und wollte den Kopf in den Nacken werfen, doch mein Körper war Sethon und seinem Messer ausgeliefert und konnte weder fliehen noch kämpfen, ich konnte nicht einmal vor dem bösartigen Schnitt zurückweichen, den er meiner Brust beibrachte.
    Lächelnd hob Sethon die Klinge und presste die andere Hand auf die klaffende Wunde. Eine andere Art Schmerz. »Heilt Euch selbst mit Eurem Drachen.« Er strich mir erneut über die Wange, sein Finger war nass und der metallische Geruch auf seiner Haut stammte dieses Mal von meinem eigenen Blut.
    All mein Zorn und mein Schmerz und mein Schrecken verbanden sich zu einem einzigen Gedanken: Töte ihn .
    Ich holte tief Atem und warf mich in die Energiewelt. Das Zelt verwandelte sich in fließende Farben, und Sethons Energieleib pulsierte dunkel vor Erregung.
    Der rote Drache krümmte sich über mir und seine goldene Macht war im blutroten Puls seines riesigen Körpers verschlossen. Daneben brüllte das blaue Tier seine Wut hinaus. Spürte Ido, was vorging?
    »Heilige Götter«, flüsterte Sethon. »Sie sind wirklich wunderschön.«
    Durch die Macht des schwarzen Buches konnte er die Tiere sehen.
    Sethons Energieleib beugte sich herab und sein heißer Atem streifte mein Ohr. Was er mir zuflüsterte, war bitter und stark: ein alter Befehl, der sich um mein Hua legte wie eine würgende Hand. Ich kratzte daran, doch meine Verzweiflung kam nicht an gegen seine unerbittliche Kraft.
    »Heilt Eure Wunden«, befahl Sethon.
    Es war, als öffnete sich die Hand für einen kostbaren

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