EONA - Das letzte Drachenauge
einverstanden war! Ich hatte ihm den Rücken zugewandt und er hatte zugestoßen wie eine Schlange.
»Ihr werdet alles besitzen, Eona. Auch ihn.« Ido stieß mit dem Fuß gegen Kygos Stiefel. »Es ist gar nicht so schlecht, wenn sie deinen Willen beherrscht, mein Junge«, sagte er mit hinterhältigem Lächeln. »Ich freue mich darauf, an Eurer Macht teilzuhaben, Eona. Und ich denke, es wird Euch gefallen, an meinem Wissen teilzuhaben. Das habt Ihr doch die ganze Zeit gewollt.«
»Ich wollte bloß ein Drachenauge sein!«
»Ihr wolltet Macht«, erwiderte er. »Auf diesem Weg bekommt Ihr sie. Und Ihr könnt Kygo retten.«
Der Spiegeldrache schrie auf und drehte das gewaltige rote Haupt über der strahlenden Perle von links nach rechts. Die Wolken flackerten im Licht der Flammen und warfen die große Hitze zurück.
»Also gut.« Ich ballte die Fäuste. »Also gut.«
»Eona, nicht!« Kygo hob den Kopf und bei der Anstrengung lief ihm ein Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel. Mit seinen kalten Fingern berührte er meine Hand und zog mich zu sich heran, bis meine Stirn an seiner Stirn lag. Ich spürte an der Wange, wie er mühsam Luft holte, und bei jedem seiner leisen Atemzüge nahm ich den metallischen Geruch seines Blutes wahr. »Tut das, was richtig ist«, flüsterte er mühsam und diese Worte kosteten ihn wertvolle Luft.
Ich drückte meine Lippen auf seine kalte Haut. »Ich weiß nicht, was richtig ist.«
»Doch, Naiso.« Er sank keuchend zurück.
Ich stand mit zitternden Beinen auf. Er wollte, dass ich die Drachen freiließ. Doch wenn ich das tat, würde ich ihn und den Spiegeldrachen verlieren. Ich würde alles verlieren. Doch wenn ich mit Ido zusammen alle Macht übernahm, würde ich die Drachen zerstören und Kygo den Thron und seinen freien Willen nehmen. Er würde mich hassen und mir bliebe nur die Macht. Ich wäre wie Ido. Eine Woge der Wut schlug über mir zusammen. Diesen Kampf konnte ich nicht gewinnen.
»Ihr müsst Euch jetzt entscheiden, Eona«, sagte Ido.
Einen verzweifelten Moment lang wünschte ich, die Macht der Drachen ließe das Land explodieren und würde alles zerstören und mir die schreckliche Wahl ersparen. Doch ich musste wählen. Und ich konnte Kygo nicht sterben lassen.
Ich stieg vom Podest hinunter. Jeder röchelnde Atemzug meines Liebsten drängte mich weiter zum Drachenauge hin. Ido hob Kinras Schwert auf, zog die Klinge über seine Hand und schnappte freudig nach Luft, als sie ihm ins Fleisch schnitt.
»Jetzt seid Ihr dran.« Er nahm meine freie Linke und drehte sie um. Meine Handfläche war bereits aufgeritzt von der goldenen Fassung der Kaiserlichen Perle. Ich sah auf den mit Mondstein und Jade besetzten Griff, als Ido die Schwertspitze durch die gleiche Wunde zog. Ein schwacher Widerhall von Kinras Wut durchbebte mich. War auch ihr Hua noch immer in dem schwarzen Buch? Ich drückte die Finger auf meine wieder frisch blutende Wunde.
Ido ließ die Waffe kreiselnd übers Holz schlittern. »Drachenaugenblut, um eine alte Bindung der Drachenaugen zu brechen«, sagte er. »Wenn das Righi die Tiere freilässt, müssen wir uns an das Buch halten, um ihre Macht zu nehmen.«
Er packte meine Hand, drückte sie auf die weißen Perlen, die das Buch an meinen Arm fesselten, und legte seine blutige Handfläche auf meine Finger. Ich spürte, wie die Perlenschnur zitterte und ruckte.
»Gut. Jetzt nehmen wir, was uns gehört. Das ist unsere Bestimmung, Eona.« Im Triumph leuchteten seine Augen so golden wie der Flammenkreis ringsum. »Ruft die Drachen aus dem Buch.«
»Das ist keine Bestimmung«, stieß ich hervor, »sondern ein Ehrgeiz, der nicht zurückschreckt vor Verrat und Mord. Kleidet Eure Gräueltaten nicht in das Gewand der Götter.«
Er neigte den Kopf zur Seite und aus diesem Blickwinkel fielen mir erstmals sein erbarmungsloser Kiefer und die tiefen Falten der Grausamkeit auf, die von der Nase zum Mund liefen. Wie hatte ich ihn je für gut aussehend halten können? Sein Inneres war verrottet und hohl.
»Nennt es, wie Ihr wollt«, sagte er. »Aber Ihr steht mit mir inmitten der Perlenkette und wir sind kurz davor, uns alle Macht der Welt zu nehmen. Das empfinde ich als Bestimmung.« Er schloss seine Hand um die meine und drückte mir die Fingerknochen zusammen. »Ruft die Drachen.«
Kinra, hilf mir, betete ich. Wenn du noch in dem schwarzen Buch bist, dann hilf mir.
Ich atmete tief ein und ließ das Righi wieder aufsteigen. Die Worte brachten mein Hirn zum Kochen und ihr
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