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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Wunde?«
    Die Perlenumklammerung hatte den Schmerz abgetötet. Als ich mich nun auf die Verletzung konzentrierte, stach sie bei jeder Bewegung der Finger. Ich zeigte Vida den flachen Schnitt auf dem Handrücken. »Nicht so schlimm. Es blutet nicht mehr.«
    »Ich habe gesehen, was Ihr für Seine Majestät getan, wie Ihr ihn aufgehalten habt«, meinte Vida. »Das war sehr mutig.«
    Ich musterte sie misstrauisch. Eine solche Freundlichkeit war ich nicht gewöhnt von ihr.
    Sie eilte hinter unseren Wagen. »Das Verbandszeug ist in den Satteltaschen. Ich suche etwas, wenn Ihr angezogen seid.« Sie schlug die Leinenplane zurück, öffnete den nächsten Korb und wühlte mit den Händen darin. »Hier, nehmt die.«
    Sie reichte mir feinmaschige Laufsandalen, deren dünne Sohlen für städtisches Pflaster gedacht waren, und wühlte weiter. Schließlich zog sie zwei Päckchen säuberlich zusammengelegte Kleidung hervor, das eine rostbraun, das andere olivgrün. Sie schüttelte den rostfarbenen Stoff und er entfaltete sich zu einem langen Rock. Das grüne Päckchen erwies sich als Übergewand: die Tageskleidung einer Kaufmannsfrau. Der Widerstand hatte uns gut ausgerüstet.
    Sie hockte sich hin und hielt den Rock auf. »Schnell, Mylady.«
    Ich trat in die Mitte des Leinens. Vida zog mir den Rock über das blutbefleckte Unterhemd und band ihn mir flink um die Taille. Zwar war es erst seit Kurzem hell, doch es war bereits heiß und schwül. Mittags würde ich ersticken unter all diesen Sachen.
    »Die Arme bitte.«
    Gehorsam hob ich sie. Dieses vertraute Tun weckte die bittersüße Erinnerung daran, wie Rilla mich im Palast angekleidet hatte. Ob sie und Chart in Sicherheit waren? Obwohl ich die beiden aus der Leibeigenschaft befreit hatte, als mir das Erbe unseres Meisters zugefallen war, und obwohl ich Chart seinerseits zum Erben dieses Anwesens gemacht hatte, war das keine Gewähr für ihren Schutz. Vor allem dann nicht, wenn Großlord Sethon die zwei als Geiseln ausersehen hatte, um mich zur Unterwerfung zu bewegen.
    Vida zog mir das Gewand über Kopf, Brust und Hüften. Ein weiterer Griff in den Korb förderte eine rote Schärpe zutage, deren prachtvolles Schimmern darauf schließen ließ, dass sie aus Seide war. Wessen Kleidung ich da wohl trug? Rock und Übergewand waren nicht neu und keine Kaufmannsfrau würde leichten Herzens die eine Länge Seide abgeben, die sie von Gesetzes wegen besitzen durfte. Mir kam ein schrecklicher Gedanke: Waren das die Sachen einer Frau, die ich getötet hatte? Ich verdrängte diesen krank machenden Gedanken. Nein, der Stoff war zu fein für jemanden aus dem Dorf.
    Vida wickelte mir die Schärpe dreimal um die Taille und band sie vorne zu. Dann trat sie zurück, begutachtete mich und zog den Stehkragen des Umhangs zurecht. »Eure Frisur stimmt nicht«, sagte sie. »Aber das macht vermutlich nichts; wir meiden ja Landstraßen, um nicht gesehen zu werden.«
    Ich schob die Finger unter die Schärpe; sie saß sehr fest.
    »Die hier hab ich im Herbergszimmer gefunden.« Vida zog zwei abgegriffene Lederbeutel aus der tiefen Tasche ihres Gewands. »Die sind wichtig, oder?«
    Der Drachenaugen-Kompass und die Totentafeln. Ich griff danach, doch dann hielt ich inne. Auch mein Kompass hatte Kinra gehört. Vielleicht war er noch stärker mit ihrer Kraft verankert als das Tagebuch.
    »Pack beides ein«, sagte ich. Vida wollte die Beutel wieder in ihre Tasche stecken. »Nein, warte.«
    Ich nahm den Beutel mit den Todestafeln und stopfte ihn unter meine Schärpe. In einem ruhigen, einsamen Moment würde ich zu Kinra beten – und sie bitten, mich in Ruhe zu lassen.
    Um meinen plötzlichen Sinneswandel zu überspielen, bückte ich mich und wollte in die Sandalen schlüpfen, doch der wallende Rock war im Weg. »Dieses ganze Zeug ist unmöglich«, sagte ich und raffte den Saum mit einer Hand. »Ich würde lieber Hemd und Hose tragen wie ein Mann.«
    »Das würden wir alle gern«, gab Vida zurück.
    Ich blickte hoch; wurde sie freundlich mir gegenüber?
    »Nicht alle. Nicht Lady Dela«, sagte ich und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen.
    Sie lachte grell auf. »Das stimmt.«
    »Was stimmt über Lady Dela?«, fragte der Contraire und kam an den Ochsen vorbei auf uns zu, was die Tiere schwermütig muhen ließ.
    Vida errötete und wich zurück, doch ich sagte: »Wir wollen endlich wieder Hosen tragen, während Ihr Euch nach einem Rock zurücksehnt.«
    Dela lächelte grimmig. »Mehr als alles andere.« Sie hob einen

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