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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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nicht beherrscht. Dass Ihr ein Dorf zerstört und sechsunddreißig Menschen getötet habt. Unschuldige Menschen, die sich nicht wehren konnten.«
    »Immerhin habe ich es nicht absichtlich getan«, sagte ich und wich nicht zurück. »Immerhin wusste ich, dass es falsch war.«
    »Ich konnte es nicht beherrschen! Ihr habt mich doch gesehen. Ich wusste nicht, was ich tat.«
    »Ich spreche nicht von Eurer Raserei«, erwiderte ich unbeirrt. »Ich spreche über die Männer im Hof, die noch gelebt haben.«
    Ich dachte, er würde mich schlagen. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, die Arme an den Seiten und die Fäuste geballt. »Ich brauche kein zweites Gewissen, Lady Eona. Kümmert Euch um Eure eigene Tugendhaftigkeit und verschont mich mit Eurer Moral.«
    Er schritt durch den Hof zu Ju-Long, einem großen, gescheckten Grauen, der noch immer an das Stallgeländer gebunden war. Ich beobachtete, wie er, den Kopf gesenkt, mit der Hand über die verschwitzte Schulter des Tieres fuhr, und in meine Wut mischte sich etwas Nasskaltes und Saures.
    Enttäuschung.
    »Lady Eona«, sagte Ryko.
    Ich wandte mich zu ihm hin und bedeutete ihm, nicht näher zu kommen. Seinen Ärger konnte ich nicht auch noch ertragen.
    Er streckte mir Kinras Schwerter entgegen. »Am Pferd Seiner Majestät ist kein Platz für noch ein Sattelfutteral«, sagte er streitlustig. »Wollt Ihr Eure Schwerter in einer Rückenscheide tragen?«
    »Nein!« Das war beinahe ein Schrei. Ich holte tief Luft und zwang mich, in gemäßigtem Ton fortzufahren. »Tragt Ihr sie für mich. Bitte.«
    Er verneigte sich rasch und seine Miene wurde verschlossen. »Wie Ihr wünscht.«
    Der Kaiser führte sein Pferd in die Mitte des Stallhofs und schwang sich elegant in den Sattel. Dann rief er den zweiten Gardisten.
    »Tiron, hilf Lady Eona auf Ju-Long. Sie hat keinerlei Erfahrung im Reiten.«
    Mein Gesicht brannte. Auf einem Pferd hatte er mich das letzte Mal in der Nacht der Palasteroberung gesehen – kurz nachdem ich ihm gestanden hatte, dass ich nicht Lord Eon war, sondern ein Mädchen. Voller Scham erinnerte ich mich an den vernichtenden Blick, mit dem er mich von oben bis unten gemustert hatte, und an seinen Zorn.
    Der Kaiser winkte mich näher. »Ihr setzt Euch hinter mich. Haltet Euch mit den Knien fest, aber behindert Ju-Long nicht.« Auf eine knappe Handbewegung von ihm hin ging Tiron neben dem Pferd auf die Knie. Der junge Gardist lief rot an, als ich den langen Rock hob, und sah höflich weg, als ich den Fuß in seine wartenden Hände setzte.
    »Fertig«, sagte ich.
    Unvermittelt wurde ich in die Luft gehoben. Ich drehte mich herum, schwang das geheilte Bein ungelenk über die Flanke des Tiers, griff nach dem Sattelheck und landete mit Wucht auf dem Rücken des Grauen. Unwillkürlich presste ich die Beine an den Leib des Pferdes, woraufhin es seitwärts im Krebsgang über das Pflaster klapperte. Der Kaiser wendete das Tier und ich versuchte verzweifelt, mich auf dem Grauen zu halten, während mächtige Gelenke und Muskeln sich unter mir bewegten.
    »Ihr habt die Erlaubnis, mich zu berühren, Lady Eona«, sagte der Kaiser barsch und brachte das unruhige Pferd zum Stehen. »Anderenfalls würdet Ihr auf dem Boden landen.«
    Zögernd ließ ich den Sattel los und fasste den Kaiser an der Taille. Durch das Hemd hindurch spürte ich seine Körperwärme und seine Muskeln, während er das Pferd unter Kontrolle hielt.
    »›Festhalten‹, hab ich gesagt.« Er zog meine Arme enger um seine Hüften und drückte meine Hände auf seinen flachen Bauch.
    Ich schob mich vor, bis ich ans Sattelheck stieß.
    »Ihr könnt aufsitzen«, befahl Kygo dem Rest unserer Truppe.
    Ich wagte nicht, mich umzusehen, um nicht vom Pferd zu rutschen. Von hinten drangen Hufgeklapper und ein heftiger Fluch von Dela zu uns, weil sie es beim ersten Versuch nicht in den Sattel geschafft hatte. Ich konzentrierte mich auf die kleinen roten Edelsteine in dem langen Zopf des Kaisers und lockerte langsam den Druck meiner Knie gegen die Flanken des Pferdes. Meine Oberschenkel schmerzten bereits vor Anstrengung und auch mein Nacken tat weh. Der einzig geeignete Platz für meinen Kopf war das Schulterblatt des Kaisers, doch diese Geste war zu vertraut. Eine solche Freiheit durfte ich mir nicht herausnehmen.
    »Los«, rief er.
    Mit einem Ruck setzte das Pferd sich in Bewegung und wechselte nach wenigen Schritten in den Trab. Unwillkürlich schlang ich die Arme fester um die Taille des Kaisers und versuchte

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