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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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zugleich, einen Rhythmus zu finden, bei dem meine Beckenknochen nicht gegen das Pferd schlugen und meine Beine nicht am Sattelheck scheuerten.
    »Kämpft nicht dagegen an«, sagte der Kaiser und blickte sich stirnrunzelnd zu mir um. »Entspannt Euch und lehnt Euch an mich oder Ihr reißt uns beide zu Boden.«
    In diesem Moment merkte ich, wohin wir unterwegs waren. »Geht es zum Vordertor hinaus?«
    »Yuso will, dass wir durch das Dorf reiten, bevor wir uns in den Wald aufmachen.«
    Ich spürte, wie er die Zügel fester in die Hand nahm, als wir um die Ecke in den großen Hof trotteten. Bei dem Gestank hob das Pferd den Kopf und schnaubte aufbegehrend. Vor uns lagen Tote auf dem von Blut und Ausscheidungen nassen Pflaster. Schwarze Aasvögel pickten und zerrten schon an den Leichen, und als wir auftauchten, stiegen sie mit schwerem Flügelschlag zum Himmel. Der Kaiser lenkte sein Pferd erst an den Rand des Platzes, dann an den Leichen vorbei. Ich wollte die Augen schließen und den Kopf abwenden, doch etwas erregte meine Aufmerksamkeit.
    Da war eine Bewegung.
    Ein Soldat zog sich mühsam auf die Knie. Ein anderer saß an der Mauer der Herberge und schaukelte stöhnend vor und zurück.
    »Sie sind nicht alle tot«, sagte ich. »Ihr habt sie nicht umgebracht.«
    »Sie wären besser dran, wenn wir es getan hätten«, gab der Kaiser schroff zurück. »Die meisten werden sterben – trotz der Bemühungen des Dorfarztes. Und die Überlebenden werden uns verraten.«
    »Ich bin froh, dass Ihr sie nicht getötet habt.«
    Er sah sich zu mir um. »Werdet Ihr auch froh sein, wenn mein Onkel Eure Tarnung aufdeckt? Wenn er von unserem Verbleib erfährt?« Er lenkte das Pferd durchs Tor des Gasthauses. »Es gibt nichts, worüber man hier froh sein könnte.«
    Doch da täuschte er sich. Während er Ju-Long in einen leichten, die Knochen durchrüttelnden Galopp setzte, legte ich den Kopf an seine Schulter und lehnte mich an den festen Halt seines Rückens.

6
    B ei Einbruch der Dunkelheit ließ Yuso Halt machen. Wir sammelten uns auf einer kleinen Lichtung im Wald und das betäubende Zwitschern der Vögel kündigte das Schwinden des Tageslichts an. Durch Farn und Unterholz sah ich einen Bach, der nach den jüngsten Monsunregenfällen sehr viel Wasser führte. Die Niederschläge waren heftiger gewesen als sonst, weil die Drachenaugen und deren Tiere sie nicht gebändigt hatten. Da aus dem Kreis der Drachenaugen nur noch zwei übrig waren – der eine sterbend, die andere nicht zu gebrauchen –, würde bald ein schlimmes Unglück das Land erschüttern und die Hilferufe würden ungehört verhallen.
    Ich glitt von Ju-Longs verschwitztem Rücken und bei dem plötzlichen Auftreffen am Boden schmerzten meine Beine. Mehr als zwölf Stunden lang waren wir abwechselnd kurz in scharfem Tempo geritten und hatten die müden Tiere dann wieder in anstrengendem Marsch geführt. Meine Oberschenkel waren die Mühen des Reitens nicht gewohnt und die überbeanspruchten Muskeln und die wund geriebene Haut schmerzten sehr.
    Es war fast unerträglich, mich hinzuhocken und mich rückwärts auf den feuchten Waldboden und auf meine schweren Rockfalten sinken zu lassen. Fluchend schob ich einen abgebrochenen Ast unter der Hüfte weg. Die Bandage um meine Hand war schmutzig geworden, doch die Wunde schmerzte nicht mehr, nicht einmal wenn ich die Finger beugte. Am anderen Ende der Lichtung sattelte Solly sein Pferd ab, auf dem er mit Tiron ritt, während der junge Gardist sich um Ju-Long kümmerte. Ryko gab Vida seine Zügel, kam auf mich zu und er sah so aus, als wollte er unsere aufgeschobene Diskussion beginnen. Ich wappnete mich, doch der Kaiser setzte sich zu mir, und der Insulaner kam nicht zum Zug. Das erleichterte mich, denn ich hatte keine Antworten für Ryko.
    »Hier, trinkt etwas Wasser«, sagte der Kaiser und reichte mir eine lackierte Flasche. »Noch ein paar Tage auf Ju-Long und Ihr gewöhnt Euch ans Reiten.«
    »Noch ein paar Tage und die Schmerzen am Arsch bringen mich um.« Ich schlug die Hand vor den Mund; diese Grobheit war mir einfach so herausgerutscht.
    Er lachte leise auf.
    Zögernd lächelte ich zurück. Ich hatte ihn erst ein Mal lachen sehen, und zwar über einen Scherz seines Vaters. Zugegebenermaßen hatte es am Kaiserhof wenig zu lachen gegeben. Sein Lächeln erinnerte mich an seine tote Mutter. Die feinen Linien von Lady Jilas Kinn und Wangenknochen waren bei ihrem Sohn deutlicher ausgeprägt und männlicher, doch ich erkannte ihre

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