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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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abgetrennt war. Blütenfrauen auf einem prächtigen Goldhintergrund, doch an vielen Stellen war die Farbe abgeblättert und ein Flügel war gespalten. Dieser heruntergekommene Prunk wirkte fehl am Platz neben den schlichten Bänken und Tischen aus Holz, die sich an den Wänden der Höhle entlangzogen. Selbst ohne die beiden Wächter, die vor dem Schirm standen, hätte ich gewusst, dass dieser Paravent den Kaiser vor Blicken schützte. Es war das Geschenk armer Leute für ihren angeschlagenen König.
    »Mylady! Hauptmann Yuso!« Ich drehte mich um und sah, dass Vida sich aus einer um ein großes Kohlebecken versammelten Menschengruppe löste und auf mich zu lief. Sie war sauber und in ein frisches Gewand gehüllt und die langen Kratzer im Gesicht waren das einzige äußere Zeichen unserer Tortur. »Geht es Euch gut?«, fragte sie mich und verbeugte sich dabei tief. »Ich bin so froh, Euch zu sehen.«
    Ich nahm ihre Hand und die Wärme in ihrer Stimme trieb mir beinahe die Tränen in die Augen. Hinter ihr erhob sich Ryko langsam von einer Bank an der Wand. Auch er war sauber und frisch gekleidet, doch seine Körperhaltung deutete darauf hin, dass er einige gebrochene Rippen hatte. Unsere Blicke trafen sich, bevor er sich verbeugte. Sein Schmerz ging viel tiefer als Blut und Brüche.
    Vidas Griff wurde fester. »Haben sie es Euch gesagt?«
    Ich nickte.
    »Ist Seine Majestät noch immer nicht erwacht?«, fragte Yuso.
    »Nein«, erwiderte Vida. »Und Solly und Lady Dela hat man nicht gefunden. Da war so viel Wasser, so viel Schlamm –«
    »Schon gut«, sagte ich, obwohl es das nicht war. »Wie geht es Tiron?«
    Ein Schatten glitt über ihr Gesicht. »Er hat große Schmerzen, aber er wird gut versorgt.«
    »Mylady, hier entlang.« Viktor wies dringlich auf den Wandschirm.
    Ich drückte Vidas Hand. »Yuso ist verletzt«, sagte ich und tat den Protest des Hauptmanns mit einer Handbewegung ab. »Kümmere dich um ihn. Wir reden später miteinander.«
    Zusammen mit dem Anführer des Widerstands ging ich durch die Höhle, und Trauben von Menschen machten uns den Weg frei, damit wir rasch zum Wandschirm kamen. Leise Segenswünsche begleiteten uns, doch Furcht ergriff mich. Ich blickte hinunter auf meine Hände und bemerkte auf einmal, dass ich die Faust in der Handfläche rieb.
    Die Wächter grüßten uns, als wir vor dem Wandschirm stehen blieben.
    »Der Arzt erwartet Euch am Lager Seiner Majestät, Lady Eona«, sagte Viktor. »Er ist jetzt seit über sieben Stunden bei ihm. Ich werde hier seinen Bericht erwarten.«
    Mit geballten Fäusten trat ich hinter den Paravent.
    Ein älterer Mann, der auf einem Hocker neben einem erhöhten Lager zusammengesunken war, blickte auf. Er trug eine flache Ärztekappe, und in seine müde Miene trat Erleichterung. »Lady Drachenauge?«
    Er verbeugte sich, doch meine Aufmerksamkeit galt der reglosen Gestalt unter der Decke. Obwohl Kygos Gesicht schlammverschmiert war, konnte ich sehen, wie besorgniserregend bleich seine Haut war. Seine Lider waren geschlossen, doch sie flatterten nicht, wie wenn man träumt oder einen Albtraum hat. Irgendwann hatte er sich die Unterlippe zerbissen und sie war noch stark geschwollen. Seine bis zum Hals hochgezogene Decke verbarg die Kaiserliche Perle und die Fäden, doch ein Bluterguss zog sich vom Kiefer über den Hals und verschwand unter der gewobenen Decke. Kygos Brust hob und senkte sich sanft und regelmäßig, und doch konnte ich zwischen den Atemzügen nicht wegsehen.
    Erst das laute Zischen verdampfenden Wassers durchbrach meinen starren Blick.
    Der Arzt stand neben einem großen Kohlebecken und schwenkte eine Flüssigkeit in einer Pfanne. »Sollen wir beginnen, Mylady?«, fragte er und aus seiner Stimme sprach neue Energie.
    »Wie geht es ihm?«
    »Meinen Beobachtungen zufolge hält sein Hua ihn davon ab, aus der Schattenwelt zurückzukehren, solange er nicht genügend Kraft hat.« Er setzte die Pfanne auf das Becken und trat zu mir an die Pritsche. »Ich habe noch nie ein Mitglied der königlichen Familie behandelt, Mylady. Und ich habe auch noch nie einen Patienten untersucht, ohne ihn zu berühren.«
    »Und ich war noch nie Werkzeug eines Arztes«, erwiderte ich und lächelte dabei genauso ängstlich wie er. »Wie sollen wir anfangen?«
    »Ich bin Anhänger der Meridianlehre, Mylady.« Und weil ich offenkundig unwissend war, fügte er hinzu: »Ich stelle meine Diagnose aufgrund des Pulses und den Energielinien. Wisst Ihr, ob Seine Majestät eher mit

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