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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Schale. »Wenn es also keine körperliche Bindung gibt, sollten die Messungen richtig sein.«
    Ich sah auf meine schlammigen Füße. Ob eine zärtliche Berührung der Wange als körperliche Bindung galt? Vielleicht sollte ich ihm davon erzählen. Aber wie konnte ich das mit der Perle erklären? Etwas hatte sich entzündet in Kygo, während ich sie streichelte. Und um ehrlich zu sein, auch in mir. Ich ließ dieses kleine Bekenntnis in meinem Geist Platz greifen.
    Mit Kygo umzugehen, war viel leichter, als ich noch Lord Eon gewesen war. Freilich was es ein tödlicher Drahtseilakt der Verstellung gewesen, doch da war nicht dieses unbehagliche Bedürfnis, zu berühren und berührt zu werden. Ich wusste, wie die Liebe rein körperlich vor sich ging; ein-, zweimal war ich in der Saline zufällig Zeugin der hastigen, heimlichen Paarung anderer Leibeigener geworden. Entstand ein solcher Akt aus demselben Bedürfnis, das ich in mir spürte, wenn ich Kygo berührte? Dabei waren wir doch nicht einmal Freunde. Verbündete allenfalls.
    Der Arzt trug die gefüllte Schale vorsichtig zu mir herüber, und als er sie auf den niedrigen Tisch stellte, kam sein Lehrling mit einem Stapel Tücher um den Wandschirm gehetzt.
    »Madina meint, die Suppe ist bald fertig, Meister«, sagte er und verbeugte sich.
    Der Arzt nahm ihm das Bündel ab und entließ ihn mit einem Fingerschnippen.
    »Mylady, sobald Ihr Seine Majestät gewaschen habt, müsst Ihr etwas essen und in unseren heißen Quellen baden, um Eure Energie zurückzuerlangen. Ihr seid genauso wichtig für den Widerstand wie Seine Majestät.« Er legte die Tücher neben die Schale und verbeugte sich. »Ich muss Viktor Bericht erstatten, aber ich bin bald wieder da. Habt Ihr noch Fragen?«
    Keine Fragen, aber ich musste ein Geständnis machen. Ich zwang mich, dem Arzt in die freundlichen Augen zu blicken. »Ich habe Seiner Majestät nie beigewohnt«, sagte ich. »Aber er hat mich einmal … zärtlich berührt.« Ich presste die Hand an meine glühende Wange und erinnerte mich an seine sanfte Liebkosung.
    Der Arzt lächelte. »Eine zärtliche Berührung beeinträchtigt meine Messungen nicht.«
    Er verbeugte sich erneut und zog sich auf die andere Seite des Wandschirms zurück.
    Nun war ich mit Kygo allein. Ich nahm ein zusammengefaltetes Tuch, tauchte es in das Ginsengwasser und blickte den Kaiser dabei nicht an. Die duftende Flüssigkeit war noch ein wenig zu heiß. Ich wrang das Tuch aus, warf es von einer Hand in die andere und hielt es kurz hoch, damit es abkühlte.
    Das besorgte Flüstern in der Haupthöhle verebbte. Der Arzt beriet sich offenbar mit Viktor. Sie waren zu weit weg vom Wandschirm, als dass ich ihre Unterhaltung hätte hören können, doch selbst hinter dem Paravent spürte ich, wie die wartende Menge den Atem anhielt.
    Wo sollte ich mit der Waschung beginnen? Mein Blick glitt rasch über die Perle und landete unbehaglich auf der Decke über Kygos Hüften. Vielleicht sollte ich bei den Armen beginnen? Die hatten kräftige Meridianlinien und da gab es keine intimen Teile am Anfang oder am Ende.
    Ich schob die Linke unter seinen rechten Unterarm und bemerkte die dicken blauen Adern und den ausgeprägten Muskel zwischen Handgelenk und Ellbogen, der sich in vielen Stunden mit dem Schwert gebildet hatte. Aus meinem Unterricht wusste ich, dass der Sonnenarm drei Meridianlinien hatte: Herz, Lunge und Gefäße. Der Herzmeridian, der vom Kraftpunkt in der Brust ausging, stand für Mitgefühl und beherrschten Geist. Ich warf einen Blick auf Kygos Gesicht, und obwohl er sich irgendwo in der Schattenwelt aufhielt, waren seine Züge edel und entschlossen. Sein Herzmeridian, der sich von der Schulter zum Ringfinger erstreckte, war zweifellos stark und frei von Blockaden. Ich legte seinen Arm auf den meinen, und dieses Gewicht erinnerte mich unvermittelt daran, wie Ido mich an die Palastmauer gepresst hatte.
    Ich hielt inne, verwirrt darüber, dass die beiden sich in meinem Kopf so seltsam angeglichen hatten. Beide waren groß und stark, doch Idos physische Präsenz hatte stets etwas Bedrohliches gehabt. Schaudernd schob ich das Bild des Drachenauges beiseite. Falls er noch lebte, konnte ich vorerst nichts für ihn tun. Und falls er tot war, mochten die Götter uns beistehen.
    Mit dem Tuch fuhr ich von Kygos Schulter hinunter zum Handgelenk, wobei ich erst den Meridianlinien folgte, dann den langen, festen Umrissen seiner Muskeln. Behutsam ließ ich seinen Arm wieder auf das Lager

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