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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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das letzte Mal gefühlt hatte, war sein Herzschlag viel schneller gewesen. Mein Blick heftete sich auf die Perle an seinem Hals.
    »Und nun erspürt die volle Bewegung innerhalb der einzelnen Schläge.«
    Ich richtete mein Augenmerk auf die winzigen Veränderungen unter den Fingerspitzen, während der Arzt mir seine Kunst erklärte. Ich brauchte meine ganze Konzentration, um allmählich die drei grundlegenden Unterteilungen jedes Herzschlags und seiner Rückstöße ausmachen zu können. Schließlich gelang es mir, die winzigen Unterschiede zu erkennen, und das Fragen konnte beginnen. War das kleine Lebenszeichen kräftig oder flach? Begann es stark oder zögernd? Gab es am Ende eine Pause oder folgte sofort der nächste Schlag? Wie lange dauerte der Pulsschlag, wie lange die Pause danach? Die Untersuchung nahm kein Ende. Und dann begann alles an der Mondseite des Kaisers von vorn.
    Schließlich setzte der Arzt sich auf und rieb sich das faltige Gesicht. »Danke, Mylady. Jetzt weiß ich genug.« Er verbeugte sich. »Das habt Ihr sehr gut gemacht. Normalerweise braucht man Jahre, um einen so feinen Tastsinn zu entwickeln.«
    »Wird er wieder gesund?«, fragte ich.
    »Ich muss gestehen, ich bin besorgt. Er ist schon lange in der Schattenwelt und mit jeder Stunde, die er nicht aufwacht, wird die Sache gefährlicher.«
    Ich atmete tief durch, um mich zu sammeln. »Aber er wird doch wieder aufwachen, oder?«
    Der Arzt trat an das Kohlebecken. »Manchmal behält die Schattenwelt ihre Besucher. Beten wir, dass sein Hua stark genug ist, ihren Verlockungen zu widerstehen. Um ihm zu helfen, werde ich eine Ginsengwaschung vorbereiten. Das wird den Körper von den Strapazen reinigen und seine Sonnenenergie entfachen. Kennt Ihr die zwölf Meridianlinien des Körpers, Mylady?«
    Ich nickte. Immer wenn ich die Energiewelt betrat, sah ich die zwölf Pfade in meinem Körper und in den Energiekörpern von denen um mich herum. Auch das hatte zur Grundausbildung gehört bei denen, die sich um eine Lehrstelle als Drachenauge beworben hatten. Der Fluss des Hua war die Grundlage für alles in der Welt. »Ich habe mich eingehend damit befasst«, fügte ich hinzu.
    Der Arzt sah erleichtert auf. »Ihr müsst ihn entlang der Meridianlinien waschen.« Er schlug einen kleinen Gong, dessen Klang in der Höhle mit den wartenden Menschen widerhallte. Dann goss er Wasser in die Pfanne auf dem Kohlebecken.
    Ich tat nickend mein Einverständnis kund, obwohl ich angesichts der bevorstehenden Aufgabe unbehaglich auf dem Hocker hin und her rutschte. Noch nie hatte ich einen Mann auf so intime Weise berührt.
    Der Arzt wählte eine kleine Keramikflasche aus einer Holzkiste am Boden, zog den Korken mit einem leisen Plopp heraus und goss den ganzen Flakon in die Pfanne. Dann nahm er eine weitere Flasche und spritzte deren Inhalt vorsichtig darauf.
    Ein kleiner Junge tauchte neben dem Wandschirm auf. »Verzeiht, dass ich so lange gebraucht habe, Meister«, sagte er außer Atem. »Draußen sind so viele Leute.« Seine weit aufgerissenen Augen waren auf mich gerichtet.
    Der Arzt drehte sich um. »Bitte Madina um mehr Tücher zum Waschen und zum Trocknen und bring sie her.« Er warf mir einen professionellen Blick zu. »Und sie soll für Lady Eona eine Suppe kochen. Sie wird schon wissen, welche ich meine. Aber sag ihr, sie darf kein Zollkraut verwenden.«
    Mit einer Verbeugung zog sich der Junge zurück.
    Der Arzt rührte die Pfanne mit einem langen geschnitzten Stab um. »Am besten wäre es, Seine Majestät würde von einem Mann gewaschen.« Er sah mich an und lächelte entschuldigend. »Eure Mondenergie könnte die Wirksamkeit des Ginseng teilweise aufheben. Doch da nur Ihr ihn berühren dürft, habe ich meinen gesamten Ginsengvorrat aufgebraucht. Hoffentlich wird das Problem so gelöst.« Er nahm die Pfanne vom Kohlebecken und goss die dampfende Flüssigkeit in eine große Porzellanschale. Plötzlich hielt er inne, die Pfanne in der Hand, so als wäre ihm ein Gedanke gekommen.
    »Mylady, vergebt mir meine Unverblümtheit, aber seid Ihr und Seine Majestät ein Paar? Ihr habt ihn so zärtlich berührt, dass ich das fragen muss. Sollte dem so sein, hat das Einfluss auf meine Vorbereitungen.«
    Lodernde Hitze stieg in mir auf und ich stieß ein ersticktes Lachen aus. »Nein. Nein, das sind wir nicht.« Unwillkürlich glitt mein Blick zu Kygo, und mir wurde noch heißer. »Ich bin sein Naiso. Das ist alles.«
    Er nickte und goss die restliche Flüssigkeit in die

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