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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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rang.
    Â»Hey«, sagte sie leise.

    Gefühle sind wie ein Sturm.
    Und der Sturm kam über Ravinia. Erst leise und kaum
vernehmlich, dann lauter und immer dröhnender.
    Die Bewohner der Stadt – allen
voran Adel und Rat – hatten die Fähigkeit zur Ignoranz über Jahre hinweg
kultiviert, gepflegt wie einen schönen Garten. Sie hatten sie mehr oder weniger perfektioniert. So glaubten sie nicht nur, dass die Welt aus ihrer Sicht heraus in Ordnung war, sondern sie
schafften es darüber hinaus auch, andere mit diesem Glauben anzustecken.
    Und niemanden trifft das Schicksal härter als die
Ahnungslosen …
    Laras Herz raste erneut.
    Sie hetzten durch die Straßen von Ravinia.
    Ein eigenartiger Singsang lag in der Luft. Es klang
wie ein Choral, der die gesamte Stadt erfüllte. Lara konnte nicht erkennen,
woher der Gesang kam, doch die Luft war erfüllt von ihm.
    Aber andere Dinge waren wichtiger und sie wagte nicht,
eine vermeintlich einfach zu beantwortende Frage zu stellen.
    Francesco hatte nicht hinaus ins Tageslicht gekonnt,
auch wenn es bloß eine Farce von Tageslicht war. Ein unangenehm stürmisches
Wetter war aufgezogen. Graue Wolken hingen tief über der Stadt und verhießen
Regen. Doch noch waren die Straßen staubtrocken.
    Die Rauchfahnen aus der Oberstadt waren eindeutig. Die
Geräusche hingegen, die aus der Ferne zu
ihnen herüberschallten, konnten alles und nichts bedeuten. Blindlings
versuchten Lara und Patrick mit Lord Hester Schritt zu halten, der ihnen wie der Wind davonzueilen drohte. Woher der alte
Mann seine Energie nahm, war ihnen ein Rätsel.
    Geneva hatte sich schon vor einigen Minuten von ihnen
abgesetzt und war schneller noch, viel schneller in Richtung Oberstadt
gelaufen.
    Eine immer dichter werdende Wolke aus Raben bildete
sich über ihren Köpfen, der sich immer neue schwarze Vögel anschlossen. Ihr
wildes Gekrächze klang aufgeregt.
    Als sie den Marktplatz überquerten, bog auf Höhe des
alten Kinos vor ihnen ein Motorrad auf die Hauptstraße ein, gefahren von einer
Frau, deren rötliches Haar wie wild durcheinanderfegte.
    Alisha auf ihrem wahnwitzigen Brutus!
    Keine gewöhnliche
motorisierte Maschine hätte die holprige Kopfsteinpflasterstraße hin zur
Oberstadt in dieser Geschwindigkeit meistern können. Lara erhaschte noch einen
Blick auf den Beiwagen und meinte Tom zu erkennen, wie er sich darin
festkrallte, die rabenschwarzen Haare flatterten im Gegenwind. Dann waren sie
ihrem Blick auch schon entschwunden.
    Immer mehr Bewohner der Stadt schlossen sich ihnen an,
rannten hinauf in die Oberstadt.
    Wenige Minuten später kamen auch Lara, Patrick und
Lord Hester endlich am Ort des Geschehens an.
    Und was sie dort erwartete, war schrecklich.
    Das einst festungsgleiche Gebäude der Wache lag in
einem gewaltigen Trümmerhaufen da. Halbe Wände und zersplitterte Balken ragten
daraus hervor, Rauchfahnen stiegen teils zum Himmel empor, teils wurden sie vom
Wind verwirbelt. Berge und Täler aus zertrümmerten Teilen des Gebäudes
breiteten sich als grauenerregende Landschaft vor Lara aus.
    Das Chaos um sie herum war so unermesslich, dass Lara
einen Augenblick der Orientierung benötigte. Sie kannte Bilder von den
Zerstörungen des Krieges in Europa, der vor vielen Jahrzehnten stattgefunden
hatte. Es war, als wäre sie mitten in ein solches hineinversetzt worden.
Vielleicht sah es hier noch schlimmer aus.
    Links und rechts von ihnen waren die Steine und Balken
der Wache weit bis auf die andere Seite des Platzes gefegt worden. Die
umliegenden Gebäude hatten ebenfalls beträchtliche Schäden erlitten. Auch das
Kommissariat war arg in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Ãœber allem wehte ein zehrender Geruch aus Verderben.
Verkohlt, zerstört, geschliffen. Vernichtet.
    Patrick wich auf einmal von Laras Seite.
    Er stürzte zu Alisha, die
am Rande des zerstörten Gebäudes zur Hälfte unter ihrem Motorrad begraben lag.
Brutus gab ein klägliches Quietschen und Brummen von sich, es klang schwach und
er konnte sich nicht von seiner Erbauerin erheben.
    Und Tom war nicht mehr bei ihnen!
    Lord Hester bahnte sich einen Weg in die
Trümmerlandschaft hinein, Rabenflügel versuchten ihm den Rauch aus dem Gesicht
zu halten.
    Und Lara McLane in all ihrer stürmischen Unbedarftheit
fasste kurzerhand einen blinden Entschluss und folgte dem Rabenlord hinein in
die Trümmer der Wache.
    Sie

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