Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
Staub.
    Hustend kamen beide wieder hoch.
    Â»Verlassen Sie diese Stadt!«, rief Tom dem Herrn über
Wind und Staub entgegen.
    Doch Roland Winter lachte wieder – kurz und trocken
und erbarmungslos diesmal.
    Â»Warum sollte ich? All
meine Mühen umsonst? Vergebens?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Â»Nein, das könnte ich nicht. Und warum sollte ich
auch?«
    Tom schnaubte. Wütend. Hilflos angesichts der ihn
umgebenden Zerstörung.
    Â»Ich kann ihnen ein Messer zwischen die Rippen
stoßen«, schrie er. »Ohne Weiteres. Sie wären niemals schnell genug, Sie
könnten es gar nicht verhindern.«
    Winter winkte ab.
    Â»Tom Truska, ich bitte Sie. Das würden Sie niemals
tun, hören Sie? Niemals !«
    Erneut ging der Graue Lord zu Boden. Und erneut wurde
auch Tom in den Staub geschleudert.
    Â»Ich warne Sie!«, rief Tom und spuckte Staub und Sand
aus. Lara merkte, wie ihr Meister mit den Tränen kämpfte. Seine ohnehin schon
knappen Kraftreserven verließen ihn – genau wie seine Gefasstheit. »Sie lassen
mir keine Wahl. Was könnte ich denn anderes tun, als Sie umzubringen?«
    Da traf der spitze Federkiel einer Rabenfeder Roland
Winter in den Oberarm.
    Sofort hob er eine Hand, lenkte den Wind und
zerstreute alle weiteren Federn, die der ersten folgten. Sein wütender Blick
wandte sich in die Richtung, aus der er attackiert worden war.
    Â»Tom!«, mahnte Lord Hester
beschwichtigend, der zwischen zwei halb eingestürzten
Wänden hervorgetreten war. »Lass es sein, Tom. Es gibt andere Mittel und Wege,
um die Stadt vor dem Allerschlimmsten zu bewahren.«
    Gekrächze ertönte überall um sie herum und der Himmel
wurde dunkel, als die Raben von Ravinia sich über ihren Köpfen versammelten.
    Winter blickte nach oben, verfolgte das Schauspiel mit
interessierter Miene. Ihm war nicht anzusehen, ob ihn das Auftauchen Lord
Hesters überraschte. Aber recht konnte es ihm keinesfalls sein.
    Lara machte, dass sie von ihrem erhöhten Standort
herunterkam. Sie kletterte hastig, hielt sich kaum an einzelnen Schuttteilen
fest, stolperte mehr schlecht als recht. Sie sah nicht, was zwischen Roland
Winter und dem Rabenlord vorging, und sie hörte nichts außer dem tosenden
Gekrächze der Raben in der Luft. Aber dort lag Tom – er hatte es nicht mehr
geschafft sich aufzurappeln. Ihm musste sie einfach helfen.
    Â»Was für eine gelungene Überraschung«, quittierte
Roland Winter schließlich die Einmischung Lord Hesters. Schaurig war er selbst
dort überall zu hören, wo Lara keinen direkten Sichtkontakt zu den beiden
hatte. »Ich hatte ehrlicherweise gehofft, dich etwas länger dort unten
festzuhalten, Rabenlord.«
    Â»Danke für die Blumen«, knurrte Lord Hester. »Ich
hatte kompetente Hilfe.«
    Â»Keine Ursache. Auch wenn das hier mit uns schließlich
nur Ärger bedeuten kann.«
    Der Rabenlord schüttelte den Kopf.
    Â»Am Ende bedeutet es bloß Ärger für dich , Roland.«
    Â»Das glaube ich ehrlich gesagt nicht«, entgegnete
Winter. Er hob die Arme und die Luft um sie herum geriet in Wallung. Die Raben
über ihnen wurden aufgeregter. Schließlich vollführte Winter eine Art
Schwimmbewegung und der riesige Rabenschwarm wurde wie eine gebrochene Welle in
zwei Richtungen gedrückt, sodass der graue Himmel über ihnen wieder zum
Vorschein kam.
    Staub wirbelte auf und begann einen Bogen um sie herum
zu beschreiben. Es ähnelte dem Kampf, den Lara und ihre Freunde im Circle of Lebanon auf dem Friedhof von Highgate mit Winter und
seinen Sturmbringern ausgetragen hatten. Auch damals hatte Winter denselben Effekt heraufbeschworen, denselben
Zauber gewirkt. Vielleicht war es sein Markenzeichen? Vielleicht sein Habitus – die Gewohnheit eines Raubtiers, mit seiner Beute zu spielen. Sie
einzusperren, nicht entkommen zu
lassen.
    Der Wind regte sich in immer größeren Schichten.
Gewaltige Luftmassen begannen erst langsam, dann immer schneller um sie herum
zu kreisen. Ein Wirbelsturm entstand, riss Staub und Trümmerteile mit sich. Er
umgab sie wie die Begrenzung einer Arena – ein kleines Amphitheater, in dem
sich eine ganze Welt abspielte. Das Rauschen des Windes schwoll an und
übertönte bald alle Geräusche von außerhalb. Das Auge des Sturms mochte
vielleicht fünfzehn oder zwanzig Meter messen – und es war völlig abgeschirmt
von seiner Außenwelt. Hier waren nur

Weitere Kostenlose Bücher