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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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stiefelten an einem leblosen Körper vorüber, der
Kleidung nach zu urteilen einst ein Nachtwächter. Lara schlug die Hände vor die
Augen, stolperte und landete in einem Schutthaufen.
    Hustend stemmte sie sich hoch.
    Sie hatte den Rabenlord
verloren. Er war außer Sicht, irgendwo zwischen Wänden ohne Decken und
Rauchfahnen verschwunden.
    Dafür hatte sie Tom gesehen. Aus dem Augenwinkel. Ganz
sicher. In einem Durchgang.
    Irgendwo hier musste er also sein. Tränen rannen ihr
heiß aus den Augen, irgendwo zwischen Schmerz und Wirklichkeit. Sie brannten
vom vielen Staub in der Luft.
    Verdammt. Tom durfte nicht hier sein! Niemand durfte
hier sein, in diesem Wahnsinn. Aber Tom ganz sicher nicht! Und Geneva auch
nicht. Und alle anderen, die sie liebte …
    Ihr dünner Pullover blieb an einem Stück Draht hängen
und zerriss an der Seite. Sie achtete nicht darauf, wischte mit dem zerfetzten
Ärmel Tränen aus ihrem Gesicht. Heiße Tränen der Verzweiflung und Wut.
    Sie musste klar sehen! Jetzt ganz besonders.
    Alles, was zählte, war, Lord Hester wiederzufinden,
denn ansonsten war sie am Ende auch noch selbst verloren.
    Sie musste über die eingestürzten Teile des Gebäudes
blicken, sich einen Überblick verschaffen. Dringend. Also erklomm sie den
nächsten Berg aus Schutt und wischte sich die bernsteinfarbenen Locken aus dem
Gesicht. Sie waren feucht vom Schweiß und … vom Blut. Helle rote Streifen zogen
sich über Laras Hand, dort, wo sie sich über die Stirn gewischt hatte. Sie
musste sich beim Sturz verletzt haben.
    Schließlich lichtete sich der Rauch und sie konnte
einen Blick erhaschen auf einen grotesken Kampf.
    Der Graue Lord stand auf einem Trümmerhaufen und
spielte regelrecht mit vier oder fünf Nachtwächtern. Der von ihm kontrollierte
Wind hob sie hoch und warf sie durcheinander wie Kegel beim Bowling. Es war
grausam anzusehen.
    Er lachte und wischte mit der Hand durch die Luft,
woraufhin eine Nachtwächterin gegen eine drei Fuß hoch aufragende Wand
geschleudert wurde und kaum noch imstande war, sich aufzurappeln. Völlig
makellos stand der Graue Lord dort in Hemd und Jackett, unberührt von dem Chaos
um sich herum, das er heraufbeschworen hatte.
    Lara musste erneut husten.
    Oh, wie sie ihn verabscheute für alles, was er tat.
    Die Nachtwächter hatten
nicht den Hauch einer Chance. Bewusstlos – oder vielleicht schlimmer – lagen
sie um ihn herum. Für ihn waren sie nicht mehr als ein lästiges Ärgernis. Und
sich dessen zu erwehren bereitete ihm eine sadistische Freude.
    Doch plötzlich wurde Winter zur Seite geworfen und
purzelte ein paar Schritte den Trümmerhaufen hinab, auf dem er Stellung bezogen
hatte.
    Â»Monster!«, schrie jemand,
dessen Stimme Lara möglicherweise noch nie derart
wutentbrannt hatte aufheulen hören, dass sie sich überschlug.
    Tom trat nach dem
gestürzten Roland Winter, doch bevor er ihn erreichte, wurde er in die Luft
gehoben und schwebte einige Handbreit über dem Boden, während Winter aufstand.
    Â»Verdammter Schlüsselmacher«, fluchte er und klopfte
sich den Staub von der Hose, ehe er Tom düster fixierte.
    Â»Der begabteste Kopf seines
Fachs«, meinte er abschätzig. »Und du willst mir Paroli bieten? Was zum Donnerwetter fällt dir
eigentlich ein, Truska?«
    Doch Tom erwiderte nichts. Er verschwand einfach so
vor Winters Augen, tauchte hinter ihm wieder auf und trat ihm in die Nieren.
Der Graue Lord stöhnte, fiel vornüber und rollte ein Stück den Trümmerhaufen
hinab.
    Doch er lachte, während er sich hochstemmte.
    Er lachte, dass es über den gesamten zerstörten Platz
hin zu hören sein musste. Und der Wind trug sein Gelächter weiter, noch viel
weiter. Schauerlich und kalt und absolut vernichtend.
    Â»Gut, gut«, rief er als sein Lachen endlich versiegt
war. Er hatte sich erneut aufgerichtet. Sein linker Ärmel hing in Fetzen herab.
»Ich scheine also nicht der Einzige zu sein, der sich mit verbotenem Wissen
auseinandergesetzt hat.«
    Anerkennend nickte er Tom zu.
    Â»Und nun?«, fragte er weiter. »Halten wir uns
stundenlang gegenseitig in Schach?«
    Tom schüttelte den Kopf.
    Verschwand.
    Tauchte an Winters Seite wieder auf und streckte ihn
mit einem Fausthieb ins Gesicht zu Boden.
    Gleichzeitig jedoch wurde er von einer Böe erfasst und
flog einige Meter rückwärts in den

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