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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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die beiden Lords. Und Lara und Tom und –
    â€“ während sie sich die letzten Meter hin zu Tom
kämpfte, wurde Lara am Arm gepackt und zur Seite gerissen. Sie stolperte und
fiel auf Geneva. Über ihnen krachten einige vom Sturm heruntergerissene
Dachziegel gegen einen Mauerrest.
    Lara blickte hoch in das Gesicht der Nachtwächterin.
Doch sie erkannte ihre Freundin beinahe nicht wieder. Dreck und Tränen – zumindest
aus dem ihr verbliebenen Auge – waren über ihre Wangen verschmiert, Ohnmacht,
Schmerz und Zorn hatten sich in ihre Gesichtszüge eingebrannt.
    Â»Sieh einer an«, hörte
Lara Winters teuflische Stimme irgendwo hinter sich. Sie
mussten ihm mehr oder weniger vor die Füße gepurzelt sein. »Wir haben also noch
Zuschauer.«
    Lara spürte, wie etwas an
ihr zerrte und zog und bevor sie sich versehen hatte, flog sie durch die Luft,
hilflos mit den Armen rudernd. Zu überrascht, um zu schreien, polterte sie in
Tom hinein, der ihr nicht auswich, sondern sich bemühte, sie aufzufangen. Neben ihr schlug Geneva im
Schutt auf.
    Â»Ich würde vorschlagen, ich verbanne Sie allesamt
einmal in die Ecke, wie unartige
Schulkinder«, höhnte Winter zu ihnen herüber. Und es war unschwer zu
erraten, wie er sich über seine eigene Boshaftigkeit amüsieren musste, während
Tom versuchte, Lara wenigstens aufrecht hinzusetzen. Doch Lara hatte Glück im
Unglück gehabt, ihr schien nicht viel zu fehlen.
    Â»Es reicht!«, fuhr Lord Hester scharf dazwischen.
Rabenfedern strömten aus seinen Ärmeln und Taschen und mischten sich in den
Sturm, der um sie her tobte. Langsam verwandelte sich der große Wirbel aus Luft
und Trümmern und Dreck um sie herum in eine kreisende schwarze Wand aus Federn,
die sie umgab wie ein Sichtschutz. Das Tosen wurde gedämpft, wenn auch nicht
sehr.
    Winter schüttelte gespielt tadelnd den Kopf.
    Â»Was machst du denn da, Charles? Du kannst dir diese
alberne Dekoration meines Werkes sparen.«
    Lord Hester seufzte.
    Â»Nein, kann ich nicht«, meinte der Lord ruhig. »Es
muss nicht jeder sehen, was hier drin gleich geschehen wird.«
    Â»Aha, du glaubst also, dass es blutig wird?«, fragte
Winter hämisch.
    Doch Lord Hester schüttelte den Kopf.
    Â»Nein, aber ich denke, ich werde dieses Treiben jetzt
beenden.«
    Abschätzig zog Winter die Augenbrauen in die Höhe.
    Â»Ich wüsste nicht, was du
mit deinen albernen Federtricks gegen mich unternehmen könntest«, versetzte er
und ergänzte: »Du hast dich doch schon vor all den Jahren nicht getraut, mich
zu fordern.«
    Wieder ein Seufzen aus Lord Hesters Mund. Trotz des
Rabenfedersturms um sie herum war es für alle gut zu hören.
    Â»Das stimmt«, gestand der
Lord. »Und ich bereue, dass ich es nicht getan habe. Ich habe dich damals
unterschätzt, Roland. Ich dachte, du würdest dich bloß als Unruhestifter geben.
Ich dachte, du würdest den Stadtrat herausfordern und die
Stadt zu ihrem Vorteil verändern.«
    Â»Das habe ich getan«, rief Winter ihm zu. »Ich wollte
Ravinia zu etwas anderem machen. Du weißt genau, wie grausam der Stadtrat sein
kann.«
    Â»Das brauche ich gar nicht zu bestreiten. Der Rat hat
seine Schwächen, so wie alle Menschen ihre Schwächen haben.«
    Â»Lügner!«, schrie Winter ihm ins Gesicht. Mit einem
Mal war die gespielte Gelassenheit passé. »Der Rat ist grausam und ungerecht.«
    Â»Und das wärst du nicht?«
    Â»Vieles, was der Rat seinerzeit gefordert und geduldet
hat, gäbe es nicht mehr.«
    Â»Aber zu welchem Preis, Roland?«
    Lord Hester rang sichtlich
mit den Sätzen, die ihm über die Lippen kamen. Es war ein tödliches
Stelldichein, noch ausgetragen auf der Ebene der schönen und schlimmen, aber
immerhin bloß gesprochenen Worte.
    Geneva war neben Lara wieder auf die Beine gekommen
und wollte sich mit einem Schrei auf den Herrn über Wind und Staub stürzen.
Doch sie taumelte gegen eine unsichtbare Wand aus sich aufwallender Luft.
    Tom stand bereits wieder, wenn auch zitternd vor
Anstrengung. Er hatte seine mit Kratzern und Schnitten übersäte Hand auf Laras
Schulter gelegt und murmelte bedauernd: »Tut mir leid, Geneva. Ich hab es doch
selbst schon versucht.«
    Er sah die stolze Nachtwächterin an und Lara konnte
das Band aus Magie und Traurigkeit in ihren Blicken förmlich spüren.
    Â»Es herrscht kein Frieden in

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