Epicordia
des
Sturms einfügte. Und so schrieb der Meister Buchstabe für Buchstabe fein und
säuberlich auf MaâHarazâ Haut. Diesem schien es sichtlich unangenehm, aber er
hielt aus. Doch Lara ahnte bereits, was hier vor sich ging â während der
Meister schrieb und schrieb und schriebââ¦
Lara schlug die Augen auf.
Jemand fing sie in weichen Armen auf, während Patrick neben ihr zu Boden ging. Sie blickte auf und sah
Toms Gesicht über sich, irgendwo zwischen Sorge und Erleichterung. Er
stemmte sie auf die Beine und blickte für einen Moment mit seinen
rabenschwarzen Augen direkt in ihre kastanienbraunen.
»Alls okay ?«, fragte er.
Lara bewegte den Mund vorsichtig, zu seltsam war alles
nach den frischen Eindrücken.
»Wie lange war ich weg?«, wollte sie irritiert wissen,
während Tom dem am Boden liegenden Patrick aufhalf. »Und wieso liegt er da?«
»Nur eine Sekunde«, meinte Tom nüchtern. »Und Patrick,
tja, der hat dich wohl berührt, während du die Kugel berührt hast.«
Lee kam schon herbeigeeilt und half mit, Patrick auf
die Beine zu stellen.
»Sorry«, entschuldigte er sich und klopfte Patrick den
Kreidestaub vom Hemd. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass das auf diese Weise auch
funktioniert.«
»Aber du hast sie es alle bereitwillig ausprobieren
lassen, nicht?«, schalt Berrie ihn. Die Anwesenden sammelten sich um Lara und
Patrick, fühlten nach ihrem Puls, nach ihrer Temperatur.
»Schön«, sagte Berrie schlieÃlich. »Es scheint ja
allen ganz wunderbar zu gehen. Wenn mir jetzt bitte jemand erzählen könnte, was
ihr dort gesehen habt?«
Lara sah um sich, begegnete den Blicken von Patrick,
von Tom, von Lee.
»Macht das einer von euch?«, fragte sie zaghaft. Zu
aufgewühlt war sie durch die Spuren, die MaâHarazâ Geschichte in ihren Kopf
gebrannt hatte.
Doch sowohl Tom als auch Patrick hielten sich dezent
im Hintergrund, sodass es Lees Aufgabe war, seiner Lehrmeisterin alles zu
beichten, was dort in der Glaskugel harrte.
Lara wäre eine Ausgeburt der
Tugendhaftigkeit gewesen â wäre Ratlosigkeit eine Tugend. Das viele
Herumrätseln bohrte Löcher in ihren Kopf. Und wenn sie sich so umsah, war sie
sich beinahe sicher, dass sich nicht nur ihr eigener Verstand wie ein
durchlöcherter Käse anfühlen musste.
Sie hatten einige
unangenehme Informationen, nasse Kleider, einen Gefangenen und jede Menge Zeit.
Sie wussten alle, dass etwas zu unternehmen war, doch sie wussten nicht, was. Nach Epicordia konnten sie frühestens am morgigen Abend zurückkehren, wenn Francesco sie wieder einlassen
würde. Bedauerlicherweise gab es keine
Kommunikationsmöglichkeit nach Epicordia. Selbst nach all den Jahren
ihrer Ehe verlieÃen Berrie und Francesco sich
nur auf eines: Sie würden sich immer wiedersehen. Irgendwie wildromantisch,
fand Lara. Doch leider passte Romantik so gar nicht in die jetzige Ratlosigkeit
hinein. Sie schielte vorsichtig zu Patrick hinüber, der Dinge in ein winziges,
ledernes Notizbuch schrieb und sich dabei Strähnen seines ungebändigten Haares
aus dem Gesicht blies.
»Und nun?«
Lee war trotz aller Schelte ungeduldig, drängte auf
ein Vorankommen.
Berrie hatte ihn zwar
zunächst ordentlich ausgeschimpft, nur damit er von Alisha in Schutz genommen
wurde, die bisher die meiste Zeit geschwiegen hatte. SchlieÃlich hätte er sich
mit einem der gefürchtetsten Meister Ravinias angelegt und â wenn auch nur mit
viel Glück â die Oberhand behalten. Jemand wie Berrie sollte das zumindest
würdigen, meinte Alisha.
»Ganz egal, was dort unten in Epicordia passiert«,
fasste Tom schlieÃlich zusammen und übertönte die streitenden Frauen einfach.
»Es kann nicht zum Wohle Ravinias sein.«
»Und was willst du tun?«, fragte die unterbrochene
Alisha ihren Kollegen in leicht genervtem Tonfall.
»Den Stadtrat alarmieren?«
»Oh ja«, ein ungesunder Schwall von Zynismus schwang
in ihrer Stimme mit. »Der groÃe Stadtrat. Stets um die Erhaltung des eigenen
Einflusses bemüht, aber völlig ohne Sinn für die eigentlichen Belange der
Stadt.«
»Du meinst also, sie würden nichts tun?«
Bis heute Morgen hätte Lara noch daran geglaubt, dass
der Stadtrat sich einer solchen Sache annehmen würde. Nachdem sie aber in
MaâHarazâ Erinnerung gesehen hatte, zu welcher Ignoranz und
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