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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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strikte Befehle erteilt hatte. »Glaub mir, sie hätten dich getötet.«
    Susan versuchte, etwas zu erwidern, doch erneut brachte sie nur ein elendes Schluchzen hervor. Sie fuhr sich mit der Hand und einem Teil ihres Ärmels übers Gesicht und wischte sich verärgert die Tränen fort, für die sie sich so schämte.
    »So, wie du John getötet hast?« Die Worte brachen aus ihr heraus, und es gelang Susan nicht, ein schmerzliches Wimmern zu unterdrücken.
    Amery schüttelte den Kopf. »Nein, das war ich nicht.« Seine Stimme war eindringlich, als glaubte er noch immer, dass er sie überzeugen könnte, wenn er sich nur genug Mühe gab. »Ich habe versucht, John zu retten, und versagt. Aber dich konnte ich retten.«
    »Du hast mich ihnen ausgeliefert. Die Pilgrim-Foundation!« Sie spuckte die Worte verächtlich aus. »Ich nehme an, du hast sie erst auf meine Spur gebracht.«
    »Versuch doch, mich zu verstehen – deine Arbeit musste so oder so in die Hände irgendeiner Organisation gelangen. Das ist unvermeidbar bei einer Arbeit wie deiner und der finanziellen Unterstützung, die dazu nötig ist.«
    »Wer steckt dahinter? Die Regierung? Die CIA? Für wen arbeitest du?«
    »Für Leute, die dafür sorgen, dass getan wird, was getan werden muss.«
    »Mein Gott…!«
    Susan musste angesichts dieses pathetischen Rechtfertigungsversuches beinahe laut auflachen. Ein unerwartetes, irrationales Gefühl der Erleichterung packte sie. Nein, dieser Mann da konnte nicht ihr Vater sein, das war unmöglich, das musste ein Irrtum sein. Es konnte nur eine weitere Lüge sein, die am Ende aufgedeckt würde.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass es so weit geht…«, protestierte er schwach. »Wenn ich es auch nur geahnt hätte…«
    »Was hättest du dann getan? Deine Überzeugungen geändert? Oder nur noch gründlicher dafür gesorgt, dass ich die Wahrheit niemals herausfinde?« Susan hielt inne. Sie fühlte sich mit jeder Sekunde, die verstrich, stärker, mit jedem Atemzug sicherer. »Du hättest mich töten lassen sollen.«
    Doch nein, dachte sie, kaum dass die Worte aus ihrem Mund waren, das war es nicht, was sie wollte. In diesem Fall hätte ihr Vater das Sorgerecht für Christopher erhalten und ihn nach seinem Vorbild formen können – oder es zumindest versucht.
    Natürlich wäre ihm das nie gelungen. Susan glaubte fest daran, dass Christopher ihres und Johns gemeinsames Kind war, niemals das ihres Vaters. Aber schon der Versuch, ihn umzuerziehen, hätte Christopher viel Kummer und Ärger bereitet, und um das zu vermeiden, würde sie einiges auf sich nehmen. Nein, Amery Hyde würde Christopher nicht in die Hände bekommen!
    »Du widerst mich an«, sagte sie, und diesmal lag eine eisige Schärfe in ihrer Stimme, obwohl sie sich noch immer unsicher fühlte. Susan sah das Entsetzen in den Augen ihres Vaters, als die Worte in sein Bewusstsein drangen.
    Doch dann wandte er den Blick ab und sah an ihr vorbei auf das Wohnhaus. Susan drehte sich um.
    In der Tür, durch die Christopher eben erst mit seinem Hund verschwunden war, stand Mrs. Hathaway. Der Hund war nicht zu sehen, aber Christopher war da. Er stand vor der Frau, die ihre kräftigen Hände mit besitzergreifender Entschlossenheit auf seine Schultern gelegt hatte, und beobachtete das seltsame Drama, das sich zwischen seiner Mutter und seinem Großvater abspielte. Zwar konnte er nicht hören, was sie sprachen, aber was er sah und was er spürte, beunruhigte ihn. Da war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, auch wenn er nicht wusste, was.
    Aber Mrs. Hathaway wusste es. Ein dünnes, triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Susans Blick begegnete. Es war, als hätte sie Susans Gedanken gelesen. »Wir werden ihn nicht in die Hände bekommen?«, schien das Lächeln zu sagen. »Aber wir haben ihn doch schon. Er gehört uns. Genau wie du. Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.«
    »Geh auf dein Zimmer zurück, Susan«, sagte Amery Hyde. Seine Stimme klang müde, bar jeder Emotion, als käme sie von irgendwo weit her. »Du bleibst dort besser, bis alles vorbei ist. Es wird nicht lange dauern.«
52
    »Wir sind bereit, die Ranch zu verlassen, sobald Sie gelandet sind.«
    Amery Hydes Stimme kam klar und deutlich über das Handy, das Latimer West so hielt, dass sowohl er als auch Charlie hören konnten, was gesprochen wurde. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf Wests Oberlippe. Sein ganzer Körper war feucht vor Angst, hauptsächlich weil Charlies rechte Hand mit scheinbarer

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