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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Beiläufigkeit in Wests Nacken lag. Doch West wusste, wie stark diese Finger waren. Sie konnten sein Rückgrat innerhalb eines Augenblicks brechen, ihm lautlos die Luft abdrehen oder ihn ganz einfach nur betäuben. Was immer Charlie zu tun gedachte – er konnte es tun. Und wenn West nur den geringsten Fehler beging, auch nur den leisesten Versuch unternahm, Amery Hyde vor dem, was auf ihn zukam, zu warnen, dann würde Charlie es tun.
    »Das ist gut«, antwortete West, und es gelang ihm, seine Stimme ruhig zu halten, alleine weil Charlies warnender Blick ihn traf. »Wir werden in zirka fünf Minuten landen.«
    »Schauen Sie aus dem Fenster – Sie werden uns sehen, wenn Sie uns überfliegen«, erwiderte Hyde.
    »Das werde ich.«
    West unterbrach die Verbindung und steckte das Handy wieder ein. Charlie sah aus dem Kabinenfenster, während der kleine Jet abkippte und die schmale Landebahn ansteuerte, die noch hinter den Bäumen verborgen lag. Sein Blick ging kurz zu dem Piloten hinüber, dessen Rücken durch die offene Cockpit-Tür nur teilweise zu sehen war. Soweit Charlie es einschätzen konnte, wusste der Pilot nicht, was vor sich ging, aber er wollte den Mann sicherheitshalber im Auge behalten, besonders sobald die Maschine gelandet war.
    Er blickte erneut aus dem Fenster. Sie überflogen gerade den Highway, den Susan ihm in der VR-Darstellung gezeigt hatte, und verloren rasch an Höhe. Die kleine Maschine wippte ständig hin und her, und der Pilot drosselte die Motoren. Und dann konnte Charlie plötzlich auf einer Seite die Hauptgebäude der Ranch unter sich ausgebreitet sehen, genauso, wie er es sich eingeprägt hatte. Wenn er nach vorne über die Schulter des Piloten blickte, konnte er das Landefeld erkennen. Etwas bewegte sich am Boden. Als sie näher kamen, sah Charlie, dass es sich um einen Kombi handelte, der ihnen vom Haupthaus her entgegenkam. Wie Amery Hyde es versprochen hatte, war alles für einen sofortigen Abflug bereit. Das war gut so.
    Die Landung war perfekt, es gab kaum ein Holpern. Die Zwillingsdüsen wurden röhrend auf Gegenschub gestellt, und das Flugzeug bremste mit einer Heftigkeit ab, die bei jeder größeren Maschine unmöglich gewesen wäre. Charlie warf West einen warnenden Blick zu, still sitzen zu bleiben, während der Pilot das Flugzeug wie zuvor befohlen in einem engen Kreis um hundertachtzig Grad drehte, um für einen baldigen Start wieder bereitzustehen.
    »Die Motoren laufen lassen – richtig?«, fragte der Mann über die Schulter.
    Charlie sah West an und nickte.
    »Richtig«, antwortete West. »Offnen Sie die Tür. Wir werden die Passagiere gleich an Bord nehmen.«
    »Irgendeine Ahnung, wo wir von hier aus hinfliegen?«, hakte der Pilot nach, erhob sich von seinem Sitz und stülpte sich automatisch die graue, zu seiner Uniform passende Mütze über. »Ich frage nur wegen des Tankens.«
    Ein weiterer warnender Blick von Charlie.
    »Wir sagen Ihnen Bescheid, sobald wir wieder in der Luft sind«, erwiderte West. »Öffnen Sie jetzt die Tür.« Und dann fügte er, nachdem Charlie ganz leicht eine Augenbraue gehoben hatte, hinzu: »Bringen Sie die Frau und das Kind zuerst an Bord, dann Mr. Hyde. Alles klar?«
    »Okay.«
    Der Pilot löste eine Arretierung und wollte gerade einen Hebel umlegen, um die Tür zu öffnen, als Charlies scharfer Befehl ihn zurückhielt: »Halt!«
    Der Mann erstarrte mitten in der Bewegung und wandte sich Charlie zu, um festzustellen, was los war. Dann folgte er Charlies Blick aus dem Kabinenfenster und sah, wie sich alle vier Türen des Kombis öffneten und vier Männer mit Maschinenpistolen hinaussprangen. Auf der anderen Seite des Flugzeuges waren drei weitere Bewaffnete hinter Büschen und einem Vorratstank aufgetaucht. Als Fünfter kletterte Amery Hyde aus dem Wagen, unbewaffnet: der General, der seine Truppen befehligte.
    »Hier rüber!«, befahl Charlie dem Piloten. »Beweg dich!« Er deutete auf einen der leeren Passagiersitze.
    Der Pilot schien verwirrt. Er sah zu Latimer West hinüber, dem die Furcht den Blick verschleiert hatte. West bemerkte nicht einmal den fragenden Blick des Piloten. Stattdessen beschwor er Charlie flehentlich: »Ich wusste nichts davon«, wiederholte er immer wieder. »Ich wusste nichts davon… Ich habe sie nicht gewarnt. Ich weiß nicht, woher sie…«
    »Schnauze!«, befahl Charlie und erhob sich. West gehorchte und verstummte. Nur sein Atem war zu hören, der hastig und unregelmäßig ging wie bei einem untrainierten

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