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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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zu hoffen gewagt haben. Aber es gibt ein Problem, nur eins, das wir bisher nicht haben lösen können.«
    Er sah Susan an, als warte er darauf, dass sie ihn nach diesem Problem fragte. Doch diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun.
    West verschränkte die Arme und fuhr schließlich fort. »Das visuelle Gedächtnis«, sagte er. »Wir haben einige Probleme mit dem visuellen Gedächtnis.«
     

ZWEITER TEIL
18
    Control saß neben Charlies Bett im Krankenhaus und lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück. »Es ist alles glatt verlaufen«, sagte er. »Wir können von Glück reden, dass Sie nicht schwerer verletzt wurden.«
    Charlie registrierte das »wir«. Control schien wirklich froh darüber zu sein, dass Charlie den Einsatz in der Botschaft lebend überstanden hatte.
    »Ein paar Zentimeter weiter, und die Kugel hätte Ihnen das Rückenmark durchtrennt. Eine zweite Kugel hat Sie in der Schulter erwischt und ist im Knochen stecken geblieben. Sie werden eine Zeit lang kürzer treten müssen. Aber Ihrer Rippe wird es schon in ein paar Tagen besser gehen. Haben Sie eine Idee, wie Sie sie sich gebrochen haben könnten?«
    »Ich habe bei der Landung einen Baum gestreift. Vielleicht war es das.«
    Sie plauderten eine Weile weiter, besprachen einige Details des Einsatzes, allerdings ohne dass es in eine formelle Nachbesprechung ausartete. Diese würde vielleicht erst später folgen, wenn überhaupt. Control schien mit dem Ausgang der Operation zufrieden. Alles – bis auf Charlies Verletzungen – war nach Plan verlaufen.
    Als Control gegangen war, griff Charlie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Er zappte durch einige Kanäle, bis er CNN fand, wo vom Ende des Geiseldramas in der Botschaft berichtet wurde. Der Bericht begann mit der Meldung, dass noch immer Beileidsbekundungen eintrafen, die den tragischen Tod des jungen Senators bedauerten, gefolgt von Absichtserklärungen, die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus weiter zu verstärken, für bessere Koordination und gemeinsame Ausbildung zu sorgen. Außerdem bekräftigten die Regierungen ihren Entschluss, standhaft zu bleiben und den Forderungen von Terroristen nicht nachzugeben. Und so weiter und so fort. Der Einsatz des Militärs wurde haarklein analysiert, Charlies Rolle jedoch mit keinem Wort erwähnt. Das war nichts Neues. Im Gegenteil, wenn Charlie erwähnt worden wäre, hätte das nur bedeutet, dass irgendetwas schrecklich schiefgelaufen wäre.
    Gelangweilt von der Berichterstattung im Fernsehen und plötzlich müde geworden, schaltete Charlie das Gerät aus und lehnte sich zurück, um sich auszuruhen. Er schloss die Augen. Ein Bild tauchte vor ihm auf. Das Gesicht einer Frau. Zuerst fiel ihm kein Name dazu ein. Dann erkannte er erschrocken, wer sie war. Er sah das Gesicht von Kathy Ryan vor sich.
    Das Bild war so überraschend deutlich, dass Charlie die Augen öffnete und versuchte, sich aufzusetzen, ohne an seine Verletzungen zu denken. Doch selbst der scharfe Schmerz, der ihn durchfuhr, vermochte das Bild in seinem Kopf nicht auszulöschen. Er starrte die leere weiße Wand ihm gegenüber an, doch er sah – und zwar so deutlich, als stünde sie leibhaftig vor ihm – das Gesicht von Kathy Ryan. Die Erinnerung, die so viele Jahre lang verloren gewesen war, war plötzlich wie durch ein Wunder wieder da.
    Charlie fragte sich, wie so etwas möglich sein konnte. Wie hatte er dieses vertraute junge Gesicht, das er so sehr geliebt hatte, je vergessen können? Und warum erinnerte er sich nun plötzlich wieder daran? Hing es vielleicht mit den Verletzungen zusammen, die er erlitten hatte? Mit der Kugel, die seinen Kopf getroffen und ihn beinahe getötet hatte? Wer konnte das schon wissen?
    Vielleicht würde ein Psychiater daraus schlau werden. Aber Charlie kannte keinen. Auf die Schnelle fiel ihm niemand ein, der ihm bei dieser Sache helfen konnte. Doch fast genauso schnell entschied er, dass er in diesem Fall auch gar keine Hilfe wollte. Das hier war allein seine Sache, seine Erinnerung, sein Leben, und so sollte es auch bleiben.
    Es gab keine Menschenseele, mit der er darüber sprechen wollte.
19
    Susan hatte getan, was man von ihr verlangte, doch die Sache war noch nicht ausgestanden. Unruhig schritt sie in dem komfortablen, großzügigen Quartier, das man ihr zugewiesen hatte, auf und ab. Sie war weder imstande, das Zimmer zu verlassen, noch sich zu entspannen. Sie hatte Erfolg gehabt: Das visuelle Gedächtnis des

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