Epsilon
kommen, Susan. Christopher kann mich nicht hören – lassen Sie es einfach ganz natürlich klingen.«
Noch ein Klicken.
»Schatz, ich muss jetzt los. Ich rufe dich bald wieder an. Ich liebe dich.«
»Ich dich auch, Mami.«
20
Nach einer Woche durfte Charlie nach Hause. Man transportierte ihn in einem Privatfahrzeug, nicht in einem Krankenwagen. Control hatte ihm einen weiteren Besuch abgestattet, um ihm mitzuteilen, dass er sich so viel Zeit lassen sollte wie nötig, um sich vollständig zu erholen. Man hätte leicht eine Urlaubsreise für ihn arrangieren können, doch Charlie zog es vor, zu Hause zu bleiben. Die Zeit, die vor ihm lag, bot viel zu viele schöne Aussichten, als dass er sie sich durch irgendwelche Unwägbarkeiten, wie sie jede Reise mit sich brachte, verderben lassen wollte. Er hatte es in seinem Beruf schon genügend mit unvorhersehbaren Ereignissen zu tun.
Charlie malte, schwamm und trainierte im Fitnesscenter, sobald er sich besser fühlte. Jede Nacht hatte er eine Verabredung mit einem der Mädchen – manchmal auch mit zweien, wenn es sich um Savannah und Jane handelte, die stets nur zusammen arbeiteten. Die Mädchen tauchten gegen halb sieben auf und stiegen mit ihm für eine gute Stunde ins Bett. Dann gingen sie aus, manchmal zum Essen, manchmal um ein wenig zu tanzen. Danach kamen sie zurück und vögelten sich in den Schlaf. Am Morgen verabschiedeten sich die Mädchen nach dem Frühstück – manchmal auch nach ein paar Spielchen unter der Dusche – und ließen Charlie mit der Aussicht auf einen weiteren schönen Tag allein.
Virgil Fry kam vorbei, um Charlies neueste Gemälde zu erstehen. Er zeigte keinerlei Interesse daran, wie Charlie zu den Verletzungen gekommen war, von denen er sich gerade erholte. Es war, als hätte der kleine Mann irgendwie gewusst, was ihn erwartete, als wäre er, so überlegte Charlie im Nachhinein, vorher ausführlich informiert worden. Charlie fragte sich, ob es wirklich der Fall sein konnte, und notierte sich in Gedanken, Fry danach zu fragen, wenn er das nächste Mal auftauchte.
Charlie blickte auf die Uhr. Es war Zeit, hinunter ins Fitnesscenter zu gehen, zu trainieren, zu schwimmen und dann zurückzukehren, um sich auf die Vergnügungen des Abends vorzubereiten. Das Mädchen, mit dem er sich heute traf, hieß Lila, ausgesprochen: »Leila«. Zumindest hatte sie diesen Namen angegeben. Charlie hatte den Verdacht, dass er erfunden war. Er hatte einmal eine Frau namens Eileen gekannt, die ihren Namen I-Lean schrieb. Ihr einziger Ehrgeiz hatte darin bestanden, Schauspielerin zu werden, und sie glaubte, dass ein ungewöhnlicher Name ihr auf dem Weg zum Ruhm von Nutzen sein würde. Charlie hatte sie kurz darauf im »Fernsehfilm der Woche« gesehen und gedacht, dass Talent ihr wahrscheinlich nützlicher gewesen wäre.
Charlie und Lila waren sich begegnet, kurz nachdem er aus dem Krankenhaus gekommen war. Er war an der kleinen Parfümerie in der Lobby seines Apartmenthauses am Yachthafen vorbeigekommen und hatte dort diese elegante und ausgesprochen wohlproportionierte Frau mit dem üppigen rot-goldenen Haar gesehen. Augenblicklich war er eingetreten und hatte vorgegeben, ein Geschenk für seine Schwester zu suchen. Er fragte sie um Rat, aber sie durchschaute sein Spiel sofort und lachte laut – ein freundliches Lachen, das ihm verriet, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Er schlug ihr vor, sich auf einen Drink zu treffen. Das Treffen fand dann in seinem Apartment statt, und es dauerte eine Weile, bis sie zum Trinken kamen.
Seit damals waren sie mehrmals die Woche miteinander ausgegangen. Sie war älter als die meisten Frauen in seinem bisherigen Leben. Er schätzte sie ein, zwei Jahre älter, als er selbst war. Sie sah fabelhaft aus und hatte Spaß an Sex, außerdem war sie eine angenehme Gesellschafterin.
An diesem Abend besuchten sie ein neues Restaurant. Es war ihr Vorschlag; sie hatte darüber in der Zeitung gelesen und wollte es ausprobieren. Die Küche war teils chinesisch, teils französisch. Charlie meinte, das höre sich großartig an.
Im Verlauf seiner Spezialausbildung – irgendwann, nachdem er das Töten mit bloßen Händen gelernt und bevor er das Überleben im Dauerfrost trainiert hatte – hatte er an einem Kurs über »Gesellschaftliche Etikette« teilgenommen. Sie hatten alles geübt: von höflicher Konversation bis hin zu der Frage, welches Messer man zum Käse benutzte. Weinproben waren veranstaltet worden, und Charlie hatte gelernt,
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