Epsilon
geschaffen.
Jemand drückte ihm ein Stück einer getrockneten Frucht in die Hand. Andere, sowohl Männchen als auch Weibchen, näherten sich ihm, zuerst ängstlich, dann umarmten sie ihn, küssten ihn aufs Gesicht und streichelten ihn unerwartet zärtlich. Nachdem die Frage der Rangfolge innerhalb des Rudels geklärt war, schienen Zuneigung und Kameradschaft die natürliche Ordnung der Dinge zu sein. Das drückte sich in liebevollen Gesten und Berührungen aus.
Plötzlich sah Charlie, dass eins der Weibchen sich ihm auf eine Art und Weise präsentierte, die eindeutig war und kaum etwas der Fantasie überließ. Sie streckte ihm ihr Hinterteil entgegen und blickte über die Schulter zu ihm hin, um sicherzugehen, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Ihre Genitalien, rot und geschwollen, wirkten wie ein aufgeblähter Gummischlauch, der aus ihrem Fell hervorquoll.
Es war der Schock über seine Reaktion darauf, der Charlie tiefer traf als alles, was bisher geschehen war. Er spürte nämlich augenblicklich ein Ziehen in der Lendengegend, und als er an sich hinunterblickte, stellte er fest, dass sein Penis erigiert war. Es war ein dünnes, langes, spitzes Ding, nicht der kräftige menschliche Penis, den er gewohnt war. Und trotzdem besaß dieses Ding ein Eigenleben, dem er ausgeliefert war, und er wusste, wozu es ihn treiben würde.
Etwas veränderte sich in seinem Kopf: ein plötzlicher mentaler Perspektivenwechsel, weg vom Detail, hin zu einer umfassenderen Wahrnehmung. Und mit ihm stellte sich ein schreckliches Gefühl von Panik ein, das intensivste, das Charlie seit Beginn dieser Episode erfahren hatte. Zum ersten Mal fürchtete er, in einer Falle zu stecken, aus der er vielleicht nie wieder entkommen würde. All seine psychologischen Schutzwälle brachen wie ein Kartenhaus zusammen. Er konnte sich nicht länger vormachen, dass es sich um ein Spiel handelte, um einen Traum oder einen Test. All die Mechanismen, die es ihm erlaubt hatten, einen Schritt zurückzutreten und das ganze Geschehen mit der Distanz eines Außenstehenden zu beobachten, versagten angesichts des tierischen, sexuellen Impulses, der ihn so unkontrollierbar überwältigt hatte. Charlie erkannte zum ersten Mal, dass er genau das war, was er dem Augenschein nach zu sein schien.
Es sei denn, dass möglicherweise, vielleicht, immerhin… Nein! Es war nicht möglich! Als wolle er sich körperlich mit aller Gewalt von dieser neuen Erkenntnis abwenden, drehte Charlie sich um, drehte sich erneut – und suchte dabei die Umgebung nach einem Zeichen ab, irgendetwas, woran er sich klammern konnte. Er sah die Kameras und die Silhouetten der Menschen hinter dem Glas, die ihn noch immer beobachteten. Charlie bückte sich nach einem Stein, einem schmaleren als dem, den das alte Weibchen ihm aus der Hand genommen hatte, und warf ihn mit aller Kraft nach diesen teilnahmslosen Zuschauern. Der Stein prallte wirkungslos gegen das Glas, das offenbar bruchsicher war. Keine der Gestalten dahinter zuckte auch nur.
Aufgeregtes Schnattern klang um Charlie herum auf. Einige der anderen Schimpansen griffen ebenfalls nach Steinen und warfen sie gegen das Glas. Es war offensichtlich ein vertrauter Zeitvertreib, dem sie nun aus Höflichkeit dem neuen Mitglied ihrer Gruppe gegenüber nachgingen, und auch, weil es Spaß zu machen schien. Charlie wandte sich resigniert ab und sah erneut die vorüberschlendernden Menschen auf der anderen Seite des Wassergrabens.
Und genau in diesem Augenblick entdeckte er plötzlich Kathy unter ihnen. Sie stand da und beobachtete ihn, völlig unbewegt und mit starrem Blick, der beinahe hypnotisch wirkte.
Charlie stieß einen Schrei des Wiedererkennens aus. Es war ein Schrei, der sich ungehemmt Bahn brach, ein Heulen, beinahe ein Schmerzensschrei. Kathy rührte sich nicht von der Stelle, als Charlie im Galopp auf sie zuraste, wobei er Arme und Beine benutzte. Er spürte, wie er die Zähne bleckte, während er seine Wut hinausschrie, sein Verlangen nach jemandem, der ihm erklärte, wie lange das alles noch so weitergehen sollte – und was es bedeutete.
Kathy regte sich noch immer nicht und sah nur stumm zu, wie Charlie sich dem Wassergraben näherte, doch dann, im letzten Augenblick, als klar wurde, dass Charlie nicht anhalten, sondern sich kopfüber ins Wasser stürzen würde, streckte sie warnend die Arme aus, als wolle sie ihn aufhalten.
Er beachtete sie nicht, hetzte weiter, hinein ins Wasser und schlitterte über den glatten Boden des
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