Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
Vom Netzwerk:
sie erwarten.«
    Sie sah Charlie erneut an und vollführte mit den Händen eine zaghafte Geste, die er als Bitte um Entschuldigung interpretierte.
    »Eine Gehirnwäsche ist dann erfolgreich, wenn man nicht nur alte Erinnerungen ausradiert, sondern gleichzeitig neue erzeugt. Und am schwierigsten sind visuelle Erinnerungen zu erzeugen. So bin ich ins Spiel gekommen. Ich habe eine Methode entwickelt, visuelle Bilder von Dingen in das Gedächtnis einzuspeichern, die der Betreffende nie zuvor gesehen hat und die er doch erkennen würde, wenn er in der Realität damit konfrontiert würde. Zum Test habe ich dir sogar ein Bild von mir in deine Erinnerung eingepflanzt – eine Erinnerung an etwas, das nie existiert hat.«
    Sie hielt erneut inne. Noch immer sah sie ihn mit einem seltsamen Ausdruck an – beinahe eine Mischung aus Schuldbekenntnis und Verleugnung, dachte Charlie.
    »Und du hast mich erkannt, nicht wahr, Charlie?«
    Er musste irgendetwas getan haben – eine Geste, eine Bewegung, vielleicht war es auch nur sein Blick –, das bestätigte, was sie vermutet hatte. Sie sah erneut zu Boden.
    »Es tut mir leid, Charlie.«
    Ohne darüber nachzudenken, machte Charlie einen Schritt nach vorne und streckte die Hand durch die Gitterstäbe. Er wusste nicht, was er erwartete oder von ihr wollte, aber seine Geste war nicht aggressiv; er wollte ihr nichts Böses antun. Als sie erschrocken aufkeuchte und einen Schritt zurückwich, war er überrascht und fühlte sich auf seltsame Art verletzt. Und wütend. Tief in seiner Kehle bildete sich ein Geräusch, ein Grunzen, ja, beinahe ein Knurren.
    Sie schien zu verstehen und schüttelte den Kopf, nicht verneinend, sondern eher bestätigend, als würde sie seine Wut nicht nur für berechtigt, sondern auch für gerecht erachten.
    »Es tut mir leid, Charlie«, wiederholte sie, »es tut mir so leid.«
    Dann drehte sie sich um und eilte davon, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen.
38
    Tom Schiller verbrachte die meiste Zeit auf seinem Flug vom National Airport nach Great Falls damit, die Gesichter seiner Mitreisenden so unauffällig wie möglich zu studieren. Susan Flemyng befand sich nicht unter ihnen, aber das hatte er auch nicht erwartet. Die Anweisung, einen roten Schlips zu tragen, bedeutete wohl, dass ihn jemand, der ihn nicht kannte, kontaktieren sollte. Doch trotz der bordeauxroten Krawatte, an der er hin und wieder bedeutungsvoll mit den Fingern nestelte, näherte sich ihm niemand oder schenkte ihm auch nur die geringste Aufmerksamkeit.
    Vermutlich würde man ihn an seinem Zielort erwarten. Doch auch dort entdeckte er weder ein vertrautes Gesicht noch jemanden, der ein Schild mit seinem Namen hoch hielt.
    Er ging zu einer der Imbisstheken hinüber, kaufte sich einen Kaffee und ein Sandwich, ohne dabei die Umgebung aus den Augen zu lassen, und lauschte angestrengt, falls eine Durchsage für ihn kommen sollte. Doch nichts geschah. Er fragte am Informationsschalter nach. Keinerlei Nachricht. Die Frau fragte ihn, ob er selbst eine Durchsage veranlassen wolle; er dachte kurz darüber nach, entschied sich jedoch dagegen.
    Der nächste Flug zurück ging drei Stunden später. Tom Schiller nahm die Maschine.
    Susans Apartment im Irvine-Spectrum-Komplex, in dem sie im Grunde genommen wie eine Gefangene lebte, war groß und besaß eine eigene Küche, in der sie sich ein karges Frühstück aus Früchten und Jogurt bereitete. Sie hatte schlecht geschlafen und fühlte sich nach dem Aufstehen müde und gereizt.
    Sie hatte zum letzten Mal auf der Ranch mit ihrem Vater gesprochen. Während sie Christophers neuste Reitkünste beobachteten, hatte sie ihm von Tom Schiller und dem geheimen Briefkasten erzählt, über den sie ihn erreichen konnte. Das war das letzte Ass in ihrem Ärmel; und sicher hatte sie Recht daran getan, es auszuspielen. Sie sagte sich selbst, dass sie es nicht vor sich verantworten konnte, wenn sie nicht alles in ihrer Macht Stehende versuchte, um diese Leute aufzuhalten. Dabei bedauerte sie nur, dass sie stellvertretend ihren Vater an die Front schicken musste. Doch was konnte schon an einem Treffen zweier sich völlig fremder Menschen gefährlich sein, die auf einem Flug zufällig miteinander ins Gespräch kamen?
    Amery war zuerst beunruhigt gewesen und hatte um ihretwillen und wegen Christopher gezögert, ein derart großes Risiko einzugehen. Aber am Ende hatte sie ihn überzeugen können. Sie sagte ihm, dass sie Schiller nicht die ganze Geschichte erzählen würde,

Weitere Kostenlose Bücher