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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Charlie, dass sie ihm keinerlei sichtbare Zeichen gab. Charlie hob ganz bedächtig die Hände und verschränkte die Finger vor sich, ohne Kathy dabei aus den Augen zu lassen. Er wollte ihre Reaktion sehen. Kathy murmelte etwas Unverständliches, ihren Lippenbewegungen nach zu schließen wahrscheinlich: »O mein Gott!«
    Sie blickte kurz zu Boden, als wolle sie ihre Gedanken ordnen, dann sah sie ihm wieder in die Augen. »Du kannst nicht sprechen und schreiben, aber du verstehst noch immer alles. Genau das habe ich befürchtet. Sie haben gesagt, dass du außer ein paar flüchtigen, bildhaften Erinnerungen nichts zurückbehalten würdest, wenn du aus dem VR-Anzug kommst. Du würdest mich kennen, aber nicht wissen, woher, und auch diese Erinnerung würde sich rasch verflüchtigen wie ein Traum. Aber du erinnerst dich an alles, nicht wahr?«
    Charlie sah sie hilflos an. Er wusste nicht, wie er ihr antworten sollte. Als Kathy die Zwickmühle erkannte, in der er steckte, fügte sie hinzu: »Klopf auf den Boden. Einmal für ja, zweimal für nein.«
    Charlie bemerkte, dass er wieder seine inzwischen gewohnte Haltung eingenommen hatte und das Gewicht seines Körpers auf den Knöcheln seiner Vorderfinger abstützte. Er hob die rechte Hand und klopfte einmal auf den Boden.
    Kathy erstarrte zur Salzsäule, dann schloss sie die Augen, als wolle sie Gefühle in Zaum halten, die viel zu mächtig waren, als dass sie ihnen hätte freien Lauf lassen können.
    »Das war nicht geplant«, flüsterte sie. Charlie war nicht sicher, ob die Worte für ihn bestimmt waren oder ob sie mit sich selbst gesprochen hatte.
    Er wartete. Nach einer Weile öffnete sie die Augen wieder und blickte ihn an.
    »Der Anzug, in dem du gesteckt hast… Sie nennen ihn die ›Gottesmaschine‹ – eine Verbeugung vor Descartes. Der Name sagt dir vielleicht nichts. Rene Descartes war ein Philosoph des 17. Jahrhunderts, der glaubte, dass all seine Sinne von einem göttlichen Wesen manipuliert seien, sodass er sich nie sicher sein könnte, was wahr und falsch, was real und was eingebildet ist.«
    Kathy hielt inne und musterte Charlie, als wolle sie sehen, wie er reagierte. Charlie hielt sich zurück.
    »Sie haben dein Gehirn benutzt, Charlie. Und dein Gehirn war da, wo es immer war und noch immer ist – da drinnen.«
    Sie drehte sich um und wies auf den Spiegel hinter sich an der Wand. Charlie sah hinein und begegnete seinem eigenen, intensiven, fragenden Blick.
    »Sie haben deine Reaktionen getestet, Charlie. Sie mussten herausfinden, ob das Gehirn eines Schimpansen zu dem fähig ist, wozu sie es brauchen.« Sie hielt inne und wandte kurz ihren Blick ab. Die Stimme versagte ihr. »Ich sage zwar ›sie‹, aber ich bin eine von ihnen. Was mit dir geschehen ist, ist teilweise ein Ergebnis meiner früheren Arbeit. Aber ›sie‹«, Kathy atmete tief und zitternd ein, »sie versuchen ein menschenähnliches Wesen zu erschaffen, stärker und schneller als jeder Mensch und seinen Herren vollkommen ergeben. Und sie wollen es aus einem genetisch manipulierten Schimpansen züchten.«
    Charlie hörte ungerührt zu. Er war sich unschlüssig, was sich unwirklicher anfühlte: die Tatsache, dass er tatsächlich das Wesen war, das er im Spiegel sehen konnte, oder die Tatsache, dass ihre Geschichte ihn nicht mehr überraschen konnte. Was er von ihr erfuhr, bestätigte bloß, was er bereits gehört und sich zusammengereimt hatte. Er fragte sich, ob die seltsame Abgestumpftheit, die er empfand, ein Schutzmechanismus war, eine Art mentaler Anästhesie, die den Wahnsinn eindämmen sollte, der, wie er fürchtete, bereits dabei war, von ihm Besitz zu ergreifen.
    »Sie wollen ein befruchtetes Ei nehmen«, hörte er die Frau vor dem Käfig sagen, »es genetisch verändern und dann in die Gebärmutter einer Schimpansin einpflanzen. Das Baby, ein Männchen, wird ihr bei der Geburt weggenommen und unter strenger Isolation im Labor großgezogen. Mit etwa acht Jahren wird der Affe wie ein erwachsener Mann aussehen. Dann werden sie ihn an einen Ort schicken, wo Killer ausgebildet werden. Er wird nicht wissen, dass er sich von den anderen unterscheidet, nur dass er der Beste ist. Die Psychologen sagen, dass er unkontrollierbar wäre, wenn er seine wahre Natur kenne. Also wird man ihn im Labor einer Gehirnwäsche unterziehen. Sie haben eine vollkommene virtuelle Realität geschaffen, die ihm den nötigen Hintergrund liefert – jenen Background, der ihn dazu motiviert, genau das zu werden, was

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