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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes
Autoren: Jo Treggiari
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ignorierten die Warnungen und Aufrufe der Regierung, in Quarantäne zu bleiben, einfach. In rauen Mengen verließen sie die Ballungsräume, und die Krankheit zog mit ihnen und breitete sich wie ein Steppenbrand aus.
    Dieses Gebäude dort hatte etwas Beunruhigendes, fand Lucy und atmete tief durch. In einer Landschaft, in der es nirgendwo künstliches Licht gab, erschien das rote Blinklicht auf der Turmspitze wie das unheilvolle Auge eines riesigen Ungeheuers. In seinem Inneren mussten sich Menschen befinden, aber ob es Ärzte oder Angehörige der Regierung waren oder einfach Hausbesetzer – Lucy hatte wirklich keine Ahnung.
    Aidan fasste sie am Arm. »Und jetzt schau mal hier«, sagte er und drehte Lucy herum, sodass sie nun nach Norden sah. Sein Gesicht glühte vor Begeisterung. Er stand auf dem höchsten Ast, der sein Gewicht noch tragen konnte. Der Wind rauschte in den Blättern. Weit jenseits der Hudson See – dort, wo sich einst, wie Lucy von Sonntagsausflügen in Kindertagen mit ihrer Familie wusste, Farmland befunden hatte, wo es Apfelplantagen, Kühe und Kürbisfelder gegeben hatte und die süßen Apfelweindonuts, die Madie so geliebtund die sie dutzendweise vertilgt hatte, und wo das Land nun der Wildnis überlassen war –, dort war ein flackerndes Licht zu sehen, gefolgt von einem anderen, ein Stück weiter entfernt, und von noch einem, wie goldene Kügelchen an einer Kette. Eine gebogene Linie aus Lichtern. Aidan grub seine Finger in Lucys Arm. Sie hätte ihn gern weggeschoben, aber sie hatte Angst herunterzufallen.
    »Au!«, stieß sie aus.
    Er achtete kaum darauf. »Da drüben gibt es Leute, die sich nicht verstecken müssen. Die einfach nur ... ihr Leben leben. Und da werde ich eines Tages hingehen.«
    »Und warum gehst du nicht gleich? Worauf wartest du?« Sie versuchte – ohne Erfolg – den Spott in ihrer Stimme zu unterdrücken. Vielleicht gehörte er zu den Leuten, die sich nicht vom Fleck rührten, solange sie nicht jemand dazu ermunterte.
    Er sah sie an, registrierte ihren Gesichtsausdruck und ließ ihren Arm los. »Ach so, dir geht’s hier ja so richtig gut, was? Du findest es toll, dich zu verstecken und mit den Hunden Überlebenskünstlerin zu spielen, Frösche und Eicheln zu essen, klatschnass zu werden und halb zu erfrieren oder zu schwitzen und Juckreiz zu haben und nur alle paar Monate mal zu baden.« Seine Stimme klang scharf. Er rümpfte die Nase, und wieder fiel ihr der Gestank auf, der aus ihren schmutzigen Kleidern drang und aus ihrem Haar, das wohl starke Ähnlichkeit mit einem Vogelnest aufwies.
    Sie wurde rot. »Ich bleibe hier.«
    »Die Sweeper werden dich finden – früher oder später.«
    »Ich dachte, die kümmern sich nur um Kranke. Und um die S’ans.«
    Aidan schüttelte den Kopf. »Nein. Sie nehmen mit, wen sie finden können. Und wer weiß, ob die Epidemie nicht zurückkehrt? Ob eine neue Welle kommt, die die letzten Überlebenden mit sich reißt? Vielleicht nistet sie schon in den Abflussrohren? Oder in den Ratten? Oder in den Vögeln, wie schon einmal?«
    Lucy presste die Lippen zusammen. »Klingt nach einem guten Grund, sich von den Menschen fernzuhalten.«
    »Ohne die Menschen kann nichts Neues entstehen«, entgegnete er.
    »Die Menschen! « Lucy sprach das Wort voller Verachtung aus. »Die Menschen sind doch der Grund, warum dieses Chaos überhaupt entstanden ist. Es gibt einfach zu viele Menschen, und die meisten sind die reinste Sauerstoffverschwendung!«
    Sie starrte wütend auf den Ast und grub ihre Finger in die Rinde. Aidan schnaubte. Auch ohne hinzusehen wusste sie, dass er seine Lippen wieder spöttisch verzogen hatte. Sie merkte, wie sie am Hals zu schwitzen begann. Was für ein Blödmann!
    »Die Wasserstände steigen«, antwortete er. »Jedes Jahr erhöht sich der Pegel um ein kleines Stück. Das sieht man an Alice.«
    Sie sah ihn verständnislos an.
    »Die Alice-Statue. Daran verfolgst du doch immer die Pegelstände.«
    »Woher weißt du das?« Sie packte ihr Messer fester. »Du hast mich beobachtet!«
    Er verdrehte die Augen. »Dieser Park gehört doch nicht dir allein! Denkst du etwa, du bist hier die Einzige?«
    Sie funkelte ihn misstrauisch an, dachte aber über das nach, was er gesagt hatte.
    Alice! Das war der Name des Mädchens, das auf dem Pilz saß! Nachdem Lucy den Namen nun gehört hatte, konnte sie gar nicht verstehen, wie sie ihn hatte vergessen können. Sie hatte den Zeichentrickfilm gesehen, und ihre Mutter hatte ihr das Buch
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