ePub: Der letzte Zauberlehrling
Begegnung.«
Er ging weiter zu Moriarty. »Du hast dich wohl für besonders schlau gehalten, was?«
»Ich bin besonders schlau«, antwortete der Magier, ohne mit der Wimper zu zucken. »Zumindest haben das meine Eltern immer gesagt. Und denen sollte man doch vertrauen, finden Sie nicht?«
Pathé schwieg einen Moment. Dann schoss seine Hand wie aus dem Nichts vor und er verpasste Moriarty eine Ohrfeige. Der Kopf des Magiers flog zur Seite, aber sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Der Schlag schien ihn nicht überrascht zu haben. Ich vermutete, er hatte den Polizeichefmit voller Absicht provoziert, wusste allerdings nicht, warum er das getan hatte.
Moriartys Wange leuchtete knallrot. »So haben wir doch wenigstens Klarheit geschaffen«, sagte er.
Pathé massierte sich die Hand. »Ich könnte dich als Spion erschießen lassen«, zischte er.
»Das könnten Sie, da bin ich mir sicher. Aber Sie dürfen es nicht. Weil Herrchen das nicht will.«
Pathés Hand zuckte erneut in die Höhe, aber er hielt sich zurück. »Du wirst dir noch wünschen, in meinen Händen geblieben zu sein. Ich kann zwar nicht wirklich erkennen, welche Gefahr von euch ausgehen sollte, aber meine Herren glauben das nun mal und haben deshalb euer persönliches Erscheinen angeordnet.«
Er drehte sich abrupt um und ging zur Tür. »Wir bringen sie zur Villa!«, rief er seinen Leuten, die dort warteten, zu. Wir wurden jeder von zwei Polizisten vor die Tür eskortiert und in vier schwarze Limousinen verfrachtet.
Dann begann die letzte Etappe unserer Reise.
Zwanzigstes Kapitel
in dem die Ereignisse scheinbar unaufhaltsam ihrem Höhepunkt entgegengehen
W ir fuhren durch die dunklen Straßen der Stadt, bis wir eine von Scheinwerfern angestrahlte Villa erreichten. Auf dem Hof zerrten unsere Bewacher uns aus den Limousinen und brachten uns ins Haus, das innen völlig anders aussah, als man dem Äußeren nach erwarten mochte.
Die Gänge und Treppenhäuser, durch die wir kamen, waren weiß oder grün gestrichen und wirkten kühl und funktional. Der Raum, in den wir geführt wurden, war kreisrund, und der Boden war in der Mitte abgesenkt wie in einem kleinen Amphitheater. Mehrere Stufen führten hinab zu einer in den Boden eingelassenen kreisförmigen Metallplatte von vielleicht vier Metern Durchmesser. Der Saal war mit dunklen Holzplatten vertäfelt, aus denen an vielen Stellen Messinggewinde herausragten. Knapp unter der Decke verliefen mehrere Dutzend Kabel im Rund, von denen immer einzelne abzweigten und sich in einer Metallröhre verloren, die bis zum Boden hinabführte.
An den Wänden standen in regelmäßigen Abständen Stühle. Sie waren aus Holz, mit einer hohen Lehne und breiten, metallbeschlagenen Armstützen. An der Lehne eines jeden Stuhls war ein Metallgestell befestigt, das etwa einen halben Meter über diese herausragte. Daran hing eine Art Helm, dermich am ehesten an einen Taucherhelm erinnerte, denn man konnte mit dem Kopf ganz hineinfahren. Allerdings hatte er vorne keine Glasscheibe, sondern war offen. Oben führten zwei Schläuche und mehrere dicke Kabel aus dem Helm heraus (oder in ihn herein). Die meisten von ihnen gingen hoch bis zur kuppelförmig gewölbten Decke des Raums und mündeten dort in armdicke Schläuche, die bis zur Mitte der Kuppel liefen, wo sie mit großen Messinggewinden an einen Metallzylinder angeschraubt waren. Aus dessen Unterseite baumelten drei weitere Schläuche heraus, die etwa drei Meter über der Metallplatte endeten.
Neben jedem Stuhl befand sich zudem ein hölzernes Pult mit jeweils einem großen Kippschalter an der Seite und verschiedensten Armaturen darauf, die aus Porzellan und Messing bestanden.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums sah ich fünf Männer an einem Apparat stehen, die sich konzentriert unterhielten. Pathé ging zu ihnen hinüber, während wir am Eingang in der Obhut der Sicherheitspolizisten warten mussten.
Ich studierte den Raum, in dem wir standen, etwas näher. Er musste nachträglich in beziehungsweise unter das Haus gebaut worden sein, denn wir waren einige Treppen hinabgelaufen, und ich vermutete, dass wir uns jetzt in der ausgehöhlten Klippe befanden. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, lösten sich zwei der Gestalten von der Gruppe und kamen zu uns herüber. Einer von ihnen war Pompignac, den ich sofort an seinem wallenden Silberhaar erkannte. Er wurde von Ignatius begleitet, der sich offenbar noch näher an seinen Chef herangeschleimt hatte.
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