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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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den Kopf. Moriarty verdoppelte sein Angebot. Mit einer flinken Bewegung wollte ihm der Page die Scheine aus der Hand ziehen, aber der Magier war schneller. »Erst, wenn wir ein paar Antworten haben.«
    »Na schön, was wollt ihr wissen?«
    Wir erfuhren, wo sich die Sicherheitspolizisten eingenistet hatten (im gesamten zweiten und dritten Stockwerk), wo sie ihre Lagebesprechungen abhielten (im kleinen Ballsaal in der ersten Etage), wo sie ihre Verhöre von Verhafteten oder Verdächtigen durchführten (in fünf kleinen Räumen im Erdgeschoss), wo sie ihre Gefangenen unterbrachten (in Einzelzimmern ganz am Ende des dritten Stocks) und wann die Schichten wechselten (abends um acht, morgens um sechs und nachmittags um zwei). Außerdem lernten wir, dass sich eine zentrale Garderobe für ihre Mäntel und Hüte am Treppenaufgang vom ersten zum zweiten Stockwerk befand und dass sich viele von den Beamten nicht kannten, weil sie aus unterschiedlichen Landesteilen zusammengezogen worden waren.
    Moriarty nahm mich beiseite. »Wenn uns der Bursche seine Uniform leiht, besorgst du mir einen Mantel und einen Hut aus der Polizeigarderobe, und ich schleiche mich hoch und sehe, ob ich unsere Freunde finden kann. Was meinst du?«
    Ich war zwar nicht begeistert, stimmte aber zu. Nachdem der Magier noch zwei Geldscheine dazugelegt hatte, erklärte sich der Page bereit, mir für eine Stunde seine Uniform zu überlassen. Er führte uns zu einem Holzschuppen am Rande des Hofs, in dem leere Bierfässer gelagert wurden, die auf ihren Abtransport warteten. Wir tauschten unsere Kleider. Die Uniform passte mir nahezu perfekt, da wir beide fast denselben Körperbau hatten.
    Ich überquerte den Hof. Als ich an einem der Lieferwagen aus der Wäscherei vorbeikam, griff ich mir einen leeren Wäschekorb und ging damit ins Hotel. Unwillkürlich musste ich an mein Eindringen in Pompignacs Villa in Paris denken. Es kam mir so vor, als sei das schon eine halbe Ewigkeit her, obwohl inzwischen erst ein paar Wochen verstrichen waren.
    Ich kam an den Kleiderräumen und der riesigen Küche vorbei, in der mehrere Dutzend Köche scheinbar ohne System herumliefen und herumschrien, und gelangte über eine Treppe in den Empfangsbereich des Hotels, wo ich sofort inmitten eines Stroms von Sicherheitspolizisten landete, die das Gebäude betraten oder verließen. Ich machte auf der Stelle wieder kehrt. Auf der Treppe hockte ich mich erst mal hin und wartete, bis sich mein Atem wieder beruhigt hatte. Dabei fiel mir ein Zauber ein, den mich Prometheus gelehrt hatte. »Er macht dich zwar nicht unsichtbar, aber er verleiht dir eine solche innere Ruhe, dass du nahezu mit den Gegenständen deiner Umgebung verschmilzt und andere Menschen dich nur schwer wahrnehmen können«, waren seine Worte gewesen.
    Innere Ruhe konnte ich jetzt auf jeden Fall gebrauchen. Ich brummte die entsprechenden Töne vor mich hin und spürte, wie sich mein Herzschlag verlangsamte und meine Muskeln entspannten. Langsam erhob ich mich und unternahm einen neuen Anlauf.
    Diesmal machte es mir nichts aus, die Halle zu durchqueren. Ich hielt mich ganz am Rand, und tatsächlich wurde ich von allen übersehen, ob sie nun Polizisten, normale Gäste oder Hotelangestellte waren. Ohne Probleme erreichte ich die Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte. Vor dem Aufgang in die zweite Etage standen mehrere Reihen vonKleiderständern, an denen Mäntel und Hüte hingen. Als ich näher herantrat, verstand ich auch, wie die Polizisten sie auseinanderhalten konnten: Jeder Bügel war mit einer kleinen Nummer versehen.
    Ich verzog mich zwischen zwei Ständerreihen und stellte den Wäschekorb vor mich hin. Trotz des Beruhigungszaubers waren meine Hände kalt und schweißnass und mein Herz pochte laut gegen meinen Brustkorb. Um mich herum hörte ich die Stimmen der Beamten, von denen immer wieder einer an der Garderobe auftauchte. Wenn ich hier noch länger blieb, würde man mich unweigerlich entdecken. Also nahm ich einen der Mäntel, der von der Größe her zu Moriarty zu passen schien, faltete ihn zusammen und legte ihn in den Korb. Den Hut schob ich dazwischen. Dann machte ich mich unverzüglich auf den Rückweg.
    Ich war mir nicht sicher, ob der Zauber noch wirkte, und das steigerte meine Unruhe zusätzlich. Ich strauchelte und wäre fast die halbe Treppe hinabgestürzt, wenn ich nicht im letzten Moment mein Gleichgewicht wiedererlangt hätte. Die Sicherheitspolizisten, die neben mir die Stufen hinauf- und

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