ePub: Der letzte Zauberlehrling
mochten, aus der Nähe kamen sie mir eher wie schlechte Karikaturen vor. Die einzelnen Gesichtsteile schienen nur lose zusammengesetzt zu sein, denn überall zogen sich feine Risse durch die Haut, so als ob sie gleich auseinanderfallen würde. Ihre Münder bestanden aus zwei aufeinandergesetzten Unterlippen, die Ohren saßen verkehrt herum am Schädel, und auf Augenbrauen hatten sie ganz verzichtet. Die Haut selbst machte den Eindruck, als sei sie aus Knetmasse und nicht aus Fleisch.
»Darf ich vorstellen: die Herren Botschafter aus der Dämonendimension«, strahlte Pompignac.
»Woher weißt du, dass es Herren sind?«, blaffte Prometheus. Das brachte seinen alten Widersacher für einen Moment aus dem Konzept, aber er fing sich schnell wieder.
»Wir haben zwei kleine Probeläufe gemacht«, erklärte er. »Eine temporäre Dimensionsbrücke, wenn man so will. Schließlich wollten wir nicht ganz unangemeldet hereinplatzen. Die Botschafter sind hier, um uns bei der endgültigen Verbindung zu helfen.«
Also hatte Lothar sein Ziel erreicht und den Weg zu seinesgleichen gefunden. War er es also, dem wir es zu verdanken hatten, dass wir hier waren? Immerhin stellten wir das größte Hindernis für seine Rückkehr in seine Heimatdimension dar. Wenn wir Pompignacs Projekt zu Fall brachten, dann war er weiterhin hier auf der Erde gefangen.
Allerdings wirkte er nicht gerade siegessicher, sondern kam mir eher wie ein geprügelter Hund vor, der hinter seinem Herrchen herschleicht. Er hatte zwar seine Hundeverkleidung abgelegt, aber seine ganze Haltung drückte Unterwürfigkeit aus. Das stand in krassem Gegensatz zu seinem üblichen Auftreten, das ja eher von Arroganz und Großsprecherei gekennzeichnet war. Andererseits kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, wie perfekt er sich verstellen konnte, wenn er wollte.
»Sind sie das?«, fragte eine der Gestalten Lothar. Die Stimmewar tief und klang mechanisch, ohne jede Gefühlsregung. Auch die Gesichter der beiden Wesen waren völlig ausdruckslos.
»Jawohl, Herr«, antwortete Lothar.
Der zweite Dämon trat vor und ging langsam an uns vorbei. Dabei legte er jedem von uns kurz einen dünnen, kalten Finger an die Schläfe.
»Ganz außergewöhnlich«, sagte er, als er mit seiner Prüfung fertig war. »Ich verzeichne eine hohe Konzentration an Energie bei jedem von ihnen.«
»Sagte ich’s doch, Herr«, rief Lothar.
Irgendetwas stimmte nicht. Das unterwürfige Verhalten, das Lothar seinen Artgenossen gegenüber an den Tag legte, passte so gar nicht zu ihm. Er verhielt sich nicht nur wie ein Sklave, er wurde von den beiden anderen auch so behandelt. Und er sah überhaupt nicht so aus, als freue er sich über seine bevorstehende Rückkehr in seine Heimat.
Die Gestalten in den roten Roben zogen sich mit Pompignac in eine Ecke des Raums zurück, wo sie miteinander zu tuscheln begannen. Der Erzkanzler unterhielt sich mit Pathé. Lothar nutzte die Gelegenheit, um näher heranzukommen.
»Elender Verräter«, zischte ich.
»Du Dummkopf«, zischte er zurück. »Was meinst du, warum ihr hier seid?«
»Weil du uns verraten hast.«
»Natürlich! Sonst wärt ihr hier doch nie reingekommen!«
Ich stutzte. Da war was Wahres dran. Es war unser Ziel gewesen, in diese Villa zu gelangen. Und jetzt waren wir drin. Sollte Lothar vielleicht ...?
»Haltet euch bereit«, flüsterte er und zog sich wieder zurück, denn die beiden Dämonen und Pompignac hatten ihr Gespräch beendet und kamen auf uns zu.
»Verbindet den Gefangenen den Mund und fesselt ihnen die Hände hinter dem Rücken!«, befahl Pompignac den Polizisten hinter uns. Also wollten sie kein Risiko eingehen. Ein Sicherheitspolizist riss grob meine Arme nach hinten und legte mir Handschellen an. Dann band er mir ein Tuch vor den Mund. Meinen Gefährten erging es nicht anders, nur Samira bekam weder Handfesseln noch einen Knebel umgelegt.
Ein Mann tauchte neben Pompignac auf und flüsterte ihm etwas zu. Der Unternehmer nickte. Der Mann verschwand, und kurz darauf traten zwölf Männer in blauer Montur ein und verteilten sich rundum auf den merkwürdigen Stühlen. Sie zogen sich die Helme über den Kopf und legten ihre Arme auf die Lehnen.
»Meine Herren, unsere Experten sind so weit«, verkündete Pompignac. »Die Polizei kann jetzt den Raum verlassen, bis auf Sie natürlich, verehrter Pathé.« Er machte eine kleine Kopfbewegung in Richtung des Polizeichefs.
Als alle Sicherheitspolizisten verschwunden waren, forderte Pompignac uns
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