ePub: Der letzte Zauberlehrling
mitzukommen?«
»Gern«, strahlte sie. »Das war das Ja . Und was ist mit dem Nein ?«
Ich sah Prometheus von der Seite an. »Ich warte leider immer noch auf meinen ersten Monatslohn.«
Der Blick des Alten verdüsterte sich, aber er polterte nicht los, wie ich es erwartet hatte. Vielleicht hielt ihn Agnethas Anwesenheit zurück. Stattdessen winkte er Samira, die ihm unaufgefordert eine Geldbörse reichte. Es war nicht das erste Mal, dass sie so schnell an der Seite des Alten stand, als könne sie seine Gedanken lesen. Meine Versuche, Prometheus mehr über sie zu entlocken, waren gescheitert. War sie nun eine Verwandte von ihm oder nicht? Und wieso hatte er bei seinem Lebenswandel die Erlaubnis erhalten, ein kleines Mädchen zu erziehen? Wobei ich manchmal den Eindruck hatte, dass sich bei ihr, so wie bei Lothar, mehr hinter der äußeren Erscheinung verbarg, als man denken mochte.
Meine Gedanken wurden durch Prometheus unterbrochen, der mir einen Geldschein hinhielt. »Nimm«, brummte er. »Niemand soll sagen, dass ich meinen Verpflichtungen nicht nachkomme.«
Zögernd griff ich nach der Banknote. Ich kannte zwar die Preise auf dem Jahrmarkt nicht, aber das sollte reichen, um Agnetha zumindest ein paar Lose zu kaufen oder sie auf ein Karussell einzuladen.
»Danke«, sagte ich.
Der Alte brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Agnetha erhob sich. »Ich geh dann mal. Wo treffen wir uns morgen?«
Ich brachte sie noch vor die Tür und beschrieb ihr den Treffpunkt, den ich mit Papillon ausgemacht hatte. Bevor sieging, musste ich aber noch eine Frage loswerden, die mir seit meinem Eintreten auf den Lippen brannte. »Wie hast du es nur geschafft, den alten Griesgram dazu zu bringen, dir so viel zu erzählen?«
»Das hat er ganz von selbst getan. Ich denke mal, er ist gar nicht so mürrisch, wie er den Anschein macht.«
»Davon habe ich noch nichts gemerkt.«
» Du bist ja auch sein Lehrling und kein freundlicher Gast«, lächelte sie.
»Dann solltest du vielleicht häufiger vorbeikommen«, grinste ich zurück.
»Tu ich gern«, erwiderte sie und mein Herz machte einen Hüpfer. Aber wer hoch springt, der fällt tief, wie ich am nächsten Tag erfahren musste.
***
Am nächsten Abend trafen wir uns alle drei vor dem Café. Ich machte Agnetha und Papillon miteinander bekannt und sie schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen. Auf dem Weg zum Platz des Fortschritts , auf dem der Jahrmarkt stattfand, unterhielten sich die beiden sehr angeregt. So angeregt, dass ich manchmal das Gefühl hatte, von ihnen überhaupt nicht mehr wahrgenommen zu werden. Papillon zog alle Register und berichtete mit viel Witz aus seinem unkonventionellen Leben. Da konnte ich natürlich nicht mithalten. Agnetha hing an seinen Lippen, kommentierte dann und wann seine Erzählungen und schien von ihm ausgesprochen fasziniert zu sein. Stumm trabte ich neben den beiden her, bis wir den Platz erreicht hatten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Ich kannte nur die Jahrmärkte bei uns auf dem Land. Sie bestanden lediglich aus ein paar Buden, die Süßigkeiten verkauften, einem Karussell für die Kinder und einer Wurfbude für die älteren Jugendlichen. Das hier war eine völlig andere Angelegenheit. Der riesige Platz war fast vollständig mit bunten Kirmesständen belegt. An einem Ende erhob sich ein prächtig funkelndes Riesenrad in den Abendhimmel, am anderen stiegen beleuchtete Ballons in die Luft, in deren Körben bis zu zwanzig Passagiere hoch über den Köpfen der Besucher schweben konnten. Auf mehreren Bühnen spielten Kapellen.
Zehntausende von Menschen aller Altersklassen schoben sich durch die Gänge zwischen den vielen Buden, Bühnen und Karussells. Papillon lud mich zu einem Wettstreit an einer Wurfbude ein, wo es darum ging, mit faustgroßen Lederkugeln eine Pyramide aus Blechdosen zum Einsturz zu bringen. Während ich mit drei Würfen nur eine Dose abwarf, räumte er zielgerichtet alle Dosen ab und erhielt dafür einen großen Plüschbären, den er Agnetha schenkte.
»Ich habe schon zehn davon zu Hause«, lachte er.
»Wie machst du das?«, wollte ich wissen.
Er hob drei Finger: »Erstens: ein scharfes Auge. Zweitens: eine ruhige Hand. Und drittens: ein spezieller Wurfball.« Er griff in die Jackentasche und zog einen der drei Lederbälle hervor, die ihm der Budenbesitzer vorhin ausgehändigt hatte. »Die Dose, die unten in der Mitte steht, wird oft mit Steinen gefüllt. Dann kann sie von den leichten Wurfbällen nicht
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