ePub: Der letzte Zauberlehrling
stammt: Man kann das Blaue vom Himmel herunterlügen. Das verschaffte mir einen gewissen Spielraum bei meinen Auskünften.
Er nippte vorsichtig an seinem Wein und verzog angewidert das Gesicht. »Bääh!«
»Was ist? Schmeckt er dir nicht?«, fragte ich mit Unschuldsmiene.
»Das zieht einem den ganzen Mund zusammen«, klagte er. »Wie kann man so etwas nur gern trinken?«
»Es ist eine Sache der Gewohnheit«, belehrte ich ihn. »Nach dem zweiten oder dritten Schluck ist das schon ganz anders.«
»Und woher willst du das wissen? Ich denke, Dämonen trinken nicht?« Er starrte mich misstrauisch an.
»Das ist Allgemeinbildung, mein Lieber. Und daran mangelt es dir erheblich.«
Er schob das Weinglas von sich. »Man muss nicht alles wissen. Das kann jedenfalls noch warten, bis ich älter bin.«
Ich überlegte kurz, ob ich noch ein wenig weiter auf ihn einreden sollte, einen zweiten Schluck zu nehmen. Ein getrübtes Urteilsvermögen würde ihn sicherlich meinen Vorschlag bereitwilliger annehmen lassen. Andererseits wollte ich vermeiden, dass er irgendeinen Verdacht schöpfte. Es war wichtig, dass er mich als seinen Freund betrachtete.
»Wozu eigentlich dieses ganze Getue?«, fragte er. »Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es.«
»Ich dachte, du würdest gern mehr über mich und meinesgleichen erfahren. Wenn dein Interesse allerdings nicht mehr besteht ...«
Er seufzte. »Weißt du, was dein Problem ist, Lothar? Egal, was du sagst, es kommt immer so rüber, als wäre es eine Lüge. Ich weiß auch nicht, woran das liegt, vielleicht an deinem nicht gerade vertrauenerweckenden Äußeren. Aber auch sonst habe ich das Gefühl, dass du es mit der Wahrheit nicht ganz genau nimmst. Ich frage mich schon die ganze Zeit, welche Rolle du hier spielst.«
Das verschlug mir dann doch die Sprache, was bei einem Dämon ziemlich selten vorkommt, vor allem, wenn er sich bei einer geistig so unterlegenen Art wie den Menschen aufhält. Der Kleine hatte in den letzten Wochen eine Menge dazugelernt und war nicht mehr ganz so naiv wie noch bei seiner Ankunft. Das machte mein Vorhaben nicht leichter. Dazu kam auch noch der unglückliche Vorfall mit dem Hurwil.
»Dieser Hurwil«, sagte der Kleine, als habe er meine Gedanken erraten, »was war das eigentlich für ein Wesen? Ich weiß, dass er es auf dich und deinesgleichen abgesehen hat, aber warum?«
»Die Hurwils sind Schöpfungen einer uns feindlich gesinnten Dämonenart. Sie sind speziell dafür erschaffen worden, uns aufzuspüren und zu vernichten.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Es gibt also mehrere Arten von Dämonen?«
»Was dachtest du denn? Wir sind eine hoch entwickelte Spezies. Die differenziert sich im Laufe der Jahrzehntausende.«
»Und ihr bekämpft euch untereinander?«
»Mal mehr, mal weniger. Aber grundsätzlich schon.«
»Also haben euch eure ganzen Zehntausende von Entwicklungsjahren nichts genutzt und ihr verhaltet euch genausoprimitiv wie unsere Steinzeitmenschen und schlagt euch gegenseitig die Schädel ein. Vielleicht nur etwas eleganter als unsere Vorfahren.«
»Mein Freund, du bist noch zu jung, um zu verstehen, dass der Kampf ums Überleben ein Naturgesetz ist. Sieh dir die Menschen an: Sie führen Kriege, sie spielen Schach und Fußball, sie brauchen immer einen Sieger und einen Verlierer. Das ist bei uns nicht anders.«
Seine Finger spielten mit dem Weinglas. Vielleicht wollte er doch noch einen Schluck probieren? Das würde die Sache viel einfacher machen. Seine ernsthaften Einwände begannen mich langsam zu nerven.
»Ich weiß nicht ... Auf mich wirkt das alles nicht besonders zivilisiert. Und einen Sinn für Ästhetik habt ihr Dämonen offenbar auch nicht.«
»Was soll denn das nun wieder heißen?«
»Na ja, guck dich doch nur mal an. Oder diesen Hurwil. Da stimmen weder die Proportionen noch die Komposition der einzelnen Körperteile.«
Ich hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Ästhetik ist immer eine Frage der Kultur, in der man lebt. Deine Vorstellungen von Schönheit sind nicht der Maßstab für das Universum. Und vielleicht wirfst du bei Gelegenheit mal einen Blick in den Spiegel.« Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Selbst nach den provinziellen Standards der Menschen war der Kleine nun wirklich kein Adonis, sondern sah selbst aus wie aus unpassenden Teilen zusammengesetzt.
Aber er ließ sich nicht provozieren. »Meine Nase ist zu groß und mein Körper ist zu schlaksig, das weiß ich. Trotzdem erkennt man mich als einen
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