ePub: Der letzte Zauberlehrling
rüstet er nun schon auf, und jeder Vorwand ist ihm recht, um unsere Nachbarn zu provozieren.«
»Und die Bevölkerung?«
»Pah.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dieist doch zufrieden, wenn es ihr einigermaßen gut geht. Der Erzkanzler verspricht den Leuten das Blaue vom Himmel herunter und sie glauben es. Jedenfalls die meisten.«
»Ich begreife trotzdem nicht, warum er unbedingt Krieg will.«
»Das ist doch ganz einfach: Er ist machtbesessen und möchte in die Geschichtsbücher eingehen als der größte Herrscher unseres Jahrhunderts. Und vielleicht hofft er auch, unsere Nachbarländer lassen sich durch sein Säbelrasseln beeindrucken und geben freiwillig klein bei.«
Er schlug eine andere Seite der Zeitung auf. »Genug davon, wir können sowieso nichts daran ändern. Das hier ist viel interessanter.« Er deutete auf einen Artikel, in dem die Eröffnung von Pompignacs erstem Zauberladen in Paris angekündigt wurde. Mein Freund beobachtete mich von der Seite, während ich den Text überflog.
»Nun?«, fragte er.
Ich warf die Zeitung auf den Tisch zurück. »Das ist eher, als ich dachte.«
»Machst du dir keine Sorgen, dass deine Lehre damit sinnlos wird?«
»Darüber denke ich nicht nach. Außerdem ist noch gar nicht sicher, ob Pompignac mit seinem Vorhaben Erfolg haben wird.«
»Oh, davon bin ich überzeugt. Du glaubst ja gar nicht, wie viele meiner Bekannten schon sehnsüchtig darauf warten.«
»Und du?«, fragte ich ihn.
»Ich brauche keine Zauber. Ich habe ja dich.« Er lachte, als er meinen skeptischen Blick sah, und warf ein paar Münzenauf den Tisch. »Komm, ich zeig dir ein wenig von meinem Viertel.«
»Geht leider nicht. Ich muss etwas für Prometheus besorgen.«
»Dann treffen wir uns morgen Abend. Ich lade dich auf den Jahrmarkt ein. Oder gibt der alte Zausel dir dafür nicht frei?«
»Keine Ahnung. Ich werde ihn fragen.«
Papillon schlug mir auf die Schulter. »Du musst lernen, dich etwas mehr durchzusetzen. Die Sklaverei wurde vor einem Jahrhundert abgeschafft.«
»Vielleicht solltest du das mal Prometheus erklären«, erwiderte ich. »Aber ich glaube nicht, dass er etwas dagegen hat.«
Wir standen auf und verabredeten, uns am nächsten Abend wieder hier zu treffen. Papillon tauchte im Menschengewühl unter und ich setzte meinen Botengang fort. Dabei fragte ich mich, was er wohl mit seiner Bemerkung »Ich habe ja dich« gemeint hatte.
***
Bei meiner Rückkehr von der Apotheke erwartete mich die nächste Überraschung. Neben Prometheus am Tisch saß Agnetha. Als sie mich eintreten sah, sprang sie auf, umarmte mich und küsste mich rechts und links auf die Wangen.
Ich war so überrascht, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Erst als ich ihr gegenübersaß, wurde mir klar, dass sie mich soeben in den Arm genommen hatte – und dass sich das sehr gut angefühlt hatte. Etwas spät spürte ich, wie ich errötete.
Agnetha schien das nicht zu bemerken. »Prometheus hatmir schon erzählt, was du so machst«, sagte sie, während Samira eine Tasse Tee vor mich hinstellte. »Du hast dich offenbar gut eingelebt.«
»Prometheus hat dir alles erzählt?«, entgegnete ich verwundert. Mein Meister war sonst nicht besonders gesprächig, vor allem Fremden gegenüber. »Und du?«, fragte ich sie. »Wie geht es dir?«
»Gut«, sagte sie. »Die Arbeit ist zwar nicht besonders spannend, aber die Kolleginnen sind nett und ich verdiene nicht schlecht. Im Augenblick haben wir jede Menge zu tun mit der Vorbereitung auf die Eröffnung von Pompignacs Zauberläden.«
»Das freut mich.« Was für ein blöder Spruch! Da stand ich einem hübschen Mädchen gegenüber und mir fiel nichts Besseres ein als eine abgenutzte Floskel.
»Was heißt hier Läden ?«, mischte sich der Alte ein. »Ich dachte, es ginge nur um ein Geschäft.«
»Oh nein, Pompignac hat große Pläne. In den nächsten Wochen sollen gleich zwanzig Läden eröffnen, in denen er seine Zaubersprüche verkauft.«
»Chaos«, brummte Prometheus. »Er wird das ganze Land ins Chaos stürzen, dieser Lackaffe.«
Ich wollte auf das Thema nicht weiter eingehen, denn das hätte mit Sicherheit wieder eine der endlosen Tiraden zur Folge, die der Alte so gern gegen Pompignac losließ.
»Sag mal, hast du morgen Abend Zeit?«, fragte ich Agnetha.
Sie nickte. »Warum? Willst du mich einladen?«
»Ja und nein.« Ich druckste ein wenig herum. »Ich habe mich mit einem Freund verabredet, um auf den Jahrmarkt zu gehen. Vielleicht hast du Lust
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