ePub: Der letzte Zauberlehrling
bei Pompignac anzutreten«, sagte ich, überrascht von der Vehemenz ihres Vortrags.
»Ich freue mich auch – einerseits.« Sie strich sich ihre Haare aus den Augen. »Aber andererseits bin ich auch ein wenig traurig, nicht mehr bei einem wirklichen Zauberer in die Lehre gehen zu können.«
Sie beugte sich vor und sah mir direkt in die Augen. »Was wirst du nun in Paris machen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Mein Grübeln hatte noch zu keinem Ergebnis geführt.
»Ich werde erst einmal das tun, was ich sowieso vorhatte. Ich werde zum Ball der Zauberer gehen und sehen, was sich dort ergibt.«
»Und wenn sich nichts ergibt?«
»Weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich werde ich mir dann eine Arbeit suchen müssen.«
In meiner Jackentasche erwachte Horatio aus seinem Schlaf. Ich zog ein paar Sonnenblumenkerne aus der anderen Tasche und holte den Hamster hervor, der sich auf meiner Hand zunächst einmal ausgiebig reckte.
»Oh, ist der knuddelig!«, rief Agnetha, als sie Horatio erblickte. »Darf ich den mal halten?«
»Horatio ist bissig«, warnte ich sie. »Er ist ziemlich wählerisch bei der Auswahl der Leute, die er an sich ranlässt.«
Das schreckte sie nicht ab. Sie streckte mir ihre zusammengelegten Hände entgegen und vorsichtig ließ ich Horatio daraufgleiten. Sofort begann er, ihre Handflächen zu beschnuppern. Agnetha strich mit ihrem Daumen leicht über sein Nackenfell. Zu meiner Überraschung schien ihm das zu gefallen, denn er drückte sich behaglich dagegen.
»Du Verräter«, tadelte ich ihn scherzhaft. »Kaum triffst du ein nettes Mädchen, schon vergisst du deine Wachsamkeit.«
Agnetha strahlte mich an. »Du bist auch knuddelig«, sagte sie, was mir das Blut in den Kopf trieb. Ich musste ein paar Mal schlucken, bevor ich meiner Stimme wieder traute. Horatio hatte inzwischen begonnen, über ihre Hände zu laufen. Geschickt führte sie die Hand, die er gerade verlassen hatte, unter derjenigen her, auf der er sich aufhielt. Es sah nicht so aus, als machte sie das zum ersten Mal.
»Hattest du mal einen Hamster?«, fragte ich sie.
»Eine Australische Wüstenmaus«, erwiderte sie, ohne die Augen von Horatio zu nehmen. »Das ist allerdings schon ein paar Jahre her. Ich war zwölf, als sie starb, und danach durfte ich mir keine neue mehr kaufen.«
»Deine Eltern?«
Sie nickte. »Meine Mutter war nicht besonders begeistert. Als Entschädigung hat sie mir dann ein Aquarium geschenkt, aber ich habe mich nie mit den Fischen anfreunden können. Hier.« Sie hielt mir Horatio hin. »Ich glaube, ich gehe besser in unser Abteil zurück. Es dauert nicht mehr lange, bis wir Paris erreichen.«
Sie stand auf, zögerte aber, das Abteil zu verlassen. »Hast du was zu schreiben?«, fragte sie mich.
Ich verstaute Horatio wieder in meiner Jackentasche und zogaus einer anderen Tasche einen kleinen Block und einen Bleistift hervor, die ich immer bei mir trug. Das war auch etwas, was mich Gordius gelehrt hatte: »Verlass dich nicht auf dein Gedächtnis. Wenn du etwas Wichtiges erlebst oder erfährst, dann schreib es auf. So kann es dir nicht verloren gehen.«
Agnetha schlug den Block auf, suchte kurz nach einem freien Blatt und krakelte ein paar Buchstaben darauf. »Das ist unsere Adresse in Paris«, erklärte sie, während sie mir Block und Stift zurückgab. »Komm mich mal besuchen.«
Ich errötete erneut und nahm mir vor, als Erstes eine Beschwörung dagegen zu entwickeln, wenn ich besser zaubern konnte. »Gerne. Ja. Das ist eine gute Idee«, stammelte ich.
Agnetha lächelte. »Ich wünsche dir viel Glück in Paris«, sagte sie. »Und ich hoffe, du findest noch einen Lehrmeister.« Mit diesen Worten verschwand sie in Richtung der ersten Klasse. Ich muss bestimmt ausgesehen haben wie ein Idiot, als ich da im Gang stand und die Tür anstarrte, hinter der sie verschwunden war.
Der Zug bog in eine lang gezogene Kurve ein und rüttelte dabei hin und her. Das brachte mich wieder zur Besinnung. Ich setzte mich und holte Horatio aus der Tasche. Vor dem Fenster erstreckte sich ein endloses Häusermeer; wir mussten also bereits in die Vororte von Paris eingefahren sein. Ich ließ Horatio aus dem Fenster gucken, aber die Stadt interessierte ihn nicht wirklich. Für einen Hamster hört die Welt kurz vor seiner Nase auf. In diesem Augenblick beneidete ich ihn darum, denn der Gedanke, gleich alleine in diesem Moloch zu stehen, machte mir immer noch ziemlich Angst.
***
Der Bahnhof, in dem wir ankamen, war das größte
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