ePub: Der letzte Zauberlehrling
denken wie wir. Ihr kennt sie nicht, und das ist auch gut so. Je mehr ihr wisst, desto mehr seid ihr in Gefahr und die anderen auch. Es handelt sich zwar vorwiegend um unbedeutende Zauberer Vierter und Fünfter Klasse, aber ich habe in den letzten Monaten, seitdem bekannt war, dass Pompignac alle Zaubersprüche kaufen wollte, Kontakt zu ihnen aufgenommen, und wir haben gemeinsam überlegt, wie wir unsere Tradition trotz all der Veränderungen und Verbote weiterführen können. Dabei haben wir einen Weg gefunden, unsere Kräfte zu vereinen. Für den einen Moment, in dem das notwendig sein sollte.«
»Also auch so eine Art Überzauber?«, fragte ich erstaunt. Innerlich leistete ich Abbitte. Ich hatte Prometheus bis vor wenigen Tagen für einen hoffnungslosen Trunkenbold gehalten, aber offenbar war er noch klarsichtig genug gewesen, um den Widerstand gegen Pompignac und die Regierung zu organisieren. Vielleicht war das der Zweck seiner mysteriösenAusflüge mit Samira gewesen, von denen ich dachte, sie dienten ausschließlich der Beschaffung von Alkohol.
»Nein, nein«, wehrte er ab. »Es ist lediglich eine Art Verbindung, eine Art der sofortigen Kommunikation, wenn du so willst. Sie ermöglicht uns, gleichzeitig bestimmte Zauber auszuführen, aber immer noch jeder für sich.«
Das stimmte mich wieder etwas zuversichtlicher, dass es uns vielleicht doch gelingen könnte, unser Ziel zu erreichen. An diesem Abend blieb Papillon bei uns und wir gingen früh zu Bett. Die Luft war frisch und klar und der Mond stand noch blass am Himmel, als wir die Hütte verließen und den Lieferwagen mit unseren wenigen Habseligkeiten bepackten. Als Letzter kam Prometheus aus dem Haus. In seinem blauen Overall und der Schirmmütze sah er wirklich wie ein alter Handwerker aus und nicht wie ein Zauberer. Er klemmte sich hinters Steuer. Agnetha nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und Papillon, Samira, Lothar und ich kletterten auf die Ladefläche, wo wir es uns zwischen den Körben einigermaßen bequem machten.
Für Lothar hatte ich eine Decke ausgebreitet, auf die er sich legen musste. Ich tat so, als würde ich seinen vorwurfsvollen Blick nicht bemerken.
»Kann ich nicht wenigstens hier ordentlich sitzen?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Du solltest dich von Anfang an in deine neue Rolle einfinden. Wenn wir unter uns sind, kannst du dich verhalten wie immer. Aber in der Öffentlichkeit bist du ein Hund.«
»Aber wir sind hier unter uns ...«
»So? Und wenn wir an einer Ampel stehen und jemand kommt vorbei und sieht, was für ein merkwürdiges Wesen zwischen den Korbmachern sitzt? Meinst du, das ist unauffällig?«
Murrend fügte er sich in sein Schicksal. Er streckte sich auf der Decke aus und schloss die Augen, so als wolle er seine eigene Schande nicht mit ansehen. Irgendwie tat er mir leid, aber andererseits war eine kleine Demütigung vielleicht nicht schlecht für ihn. So merkte er wenigstens, dass er nicht machen konnte, was er wollte. Papillon schlug einmal kurz auf das Dach des Fahrerhauses, und Prometheus ließ den Motor an und fuhr los. Anfangs war der Fahrtwind noch ziemlich kühl, aber schon kurz nach Sonnenaufgang erwärmte sich die Luft.
Die ersten Stunden der Fahrt verliefen ereignislos. Obwohl der Wagen nicht sehr schnell fuhr, waren der Motor und die Windgeräusche doch recht laut, und so hingen wir jeder unseren Gedanken nach oder dösten vor uns hin. Wir nahmen nicht den direkten Weg nach Biarritz, weil Papillon und Prometheus vermuteten, dass man dort ganz besonders aufmerksam nach uns Ausschau halten würde, sondern reisten zunächst in Richtung La Rochelle. Das auch deshalb, wie Prometheus erklärte, weil auf diesem Weg mehr von seinen Kollegen niederen Grades wohnten, bei denen wir Unterschlupf finden konnten.
Als Korbmacher gaben wir ein ziemlich armseliges Bild ab. Darum suchten wir abends auch stets Plätze am Rande von kleineren Dörfern auf, um unser Zelt aufzuschlagen. Nicht allzu abgelegen, denn das hätte wiederum Verdacht erregt, wenn man uns entdeckt hätte.
Papillon und ich bauten das Zelt auf, während die Mädchendie paar Korbwaren, die wir dabeihatten, neben dem Wagen verteilten. Auch wenn ab und zu ein neugieriger Dorfbewohner vorbeikam, um unser Angebot in Augenschein zu nehmen, kamen wir nicht in die Verlegenheit, tatsächlich ein Teil verkaufen zu müssen. Meistens zogen die Besucher mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck wieder ab.
Morgens brachen wir in aller Frühe auf, und wenn
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