ePub: Der letzte Zauberlehrling
mit voller Wucht über Biarritz auf die Erde treffen. Das ist das Datum, zu dem wir spätestens dort sein müssen, denn dann wird Pompignac den Überzauber zu aktivieren versuchen.«
»Dafür müssen wir quer durchs ganze Land«, warf Papillon zweifelnd ein. »Und ich wollte es euch eigentlich nicht zeigen, aber das hier hängt überall an den Häuserwänden. Wahrscheinlich nicht nur in Paris, sondern auch im Umland.«
Er zog ein Papier aus der Tasche, das er bis auf die Größe eines kleinen Plakats auseinanderfaltete. Es war ein Steckbrief, der den Alten, Samira und mich zeigte. Das war eine ausgesprochen unerfreuliche Entwicklung; schließlich war nicht ich der Umstürzler, sondern Prometheus. Außerdem hatte der Zeichner meine Gestalt völlig verzerrt dargestellt. Nicht, dass ich diesen Körper geliebt hätte, aber in dreitausend Jahren gewöhnt man sich an sein Aussehen, und die Abbildung gab meine Körperproportionen nur höchst unvorteilhaft wieder.
»Agnetha fehlt«, kommentierte der Kleine.
»Wahrscheinlich nimmt man Rücksicht auf meine Familie«, mutmaßte sie. »Immerhin ist mein Vater ein persönlicher Freund Pompignacs und des Erzkanzlers.«
»Deswegen wird die Polizei trotzdem nach dir suchen«, sagte Papillon. »Nachdem sich Humbert seiner Beschattung entzogen hat, wird auch er wieder auf der Liste stehen. Der Einzige, der sich noch frei bewegen kann, bin ich. Wie sollen wir es da bis Biarritz schaffen?«
»Wir verkleiden uns«, sagte der Kleine. Es war faszinierend zu beobachten, wie er ganz selbstverständlich die Führung übernahm.
»Verkleiden? Ich denke, ihr seid Zauberer. Könnt ihr dafür nicht einfach einen Verwandlungszauber nehmen?«, fragte Papillon.
»Oh, diese Ignoranz«, stöhnte der Alte. »Ein Zauber kostet Kraft, mein Junge! Natürlich könnte ich fünf Menschen tarnen. Aber hier geht es nicht um einen Moment oder eine Stunde, sondern darum, die Verwandlung mehrere Tage oder Wochen aufrechtzuerhalten. Das ist nichts, was man mal einfach so nebenher macht, selbst als Zauberer Erster Klasse nicht.«
»Schon gut«, entschuldigte sich Papillon. »Ich hab ja verstanden.«
»Also«, fuhr der Kleine fort. »Samira schneiden wir die Haare kurz, färben sie blond und stecken sie in Jungensachen. Bei Agnetha machen wir es genauso und bei mir umgekehrt.«
»Du willst in Mädchenkleidern rumlaufen?«, fragte Papillon entgeistert.
»Warum nicht? Wenn ich dadurch unerkannt bleibe, ist es mir das wert.«
»Und was machen wir mit Prometheus und dem Werhörnchen?«
»Nun, bei Lothar ist das ganz einfach. Wir werden seinen Schwanz ein wenig bearbeiten und er wird auf allen vieren als Hund gehen. Was Prometheus betrifft ...«
»Als Hund? Hast du gesagt, als Hund ?«, unterbrach ich ihn.
Der Kleine blickte mich mit argloser Miene an. »Ja, wieso? Würdest du dich lieber als Katze verkleiden?«
Was für eine bodenlose Frechheit! Ich, ein unübertroffener Wissenschaftler, ein Dämon der obersten Schicht, ein Wesen, dessen Verstand den aller Menschen zusammengenommenübertraf – ich sollte als Hund durch die Welt laufen? Niemals! Lieber würde ich ...
Ich merkte, wie die drei Jugendlichen mich anstarrten. Selbst Samira musste etwas mitbekommen haben und blickte von ihrem Platz zu uns herüber.
»Ich nehme mal an, das war jetzt keine emotionale Reaktion, oder?«, fragte der Kleine, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Du entscheidest doch immer vollkommen rational, ganz im Gegensatz zu uns Menschen.«
Ich musste dreimal schlucken, bevor ich antworten konnte. Dann war ich allerdings wieder ganz bei mir. »Selbstverständlich nicht«, flötete ich. »Ich dachte nur, dass kein Hund so aussieht wie ich und es deshalb vielleicht eine bessere Lösung gibt.«
»Oh, du sollst ja nicht einfach auf allen vieren laufen. Wir werden dich natürlich noch ein wenig zurechtmachen, und ein schönes Halsband wirst du auch bekommen.«
Das würde ich ihm heimzahlen, darauf konnte er sich verlassen!
Fünfzehntes Kapitel
in dem wir erstmals vom Unterschied zwischen Zauberei und Magie hören
W ir brachen in den frühen Morgenstunden auf.
Prometheus sah ohne seinen Bart und mit den kurzen Haaren eher noch gebrechlicher aus als zuvor und die Strapazen des Alkoholentzugs hatten die Furchen in seinem Gesicht vertieft. Er hatte dunkle Ringe um die Augen und seine Stimme klang matt. Aber in seinem Blick bemerkte ich das Funkeln, das ich aus seinen einigermaßen nüchternen Momenten kannte.
Papillon hatte uns
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