ePub: Drachenhaut (German Edition)
geht es nicht. Es tut mir genauso leid wie dir, Kleines. Ich hätte dich gerne selbst unterrichtet.Aber er ist der Drache, unser König. Wenn er es befiehlt, kann ich nichts dagegen tun.«
»Du bist seine Tochter«, erwiderte Lilya heftig.
»Alle Drachenmenschen sind die Kinder des Drachen«, erwiderte Tedus sanft. »Ich habe das Glück, seine leibliche Tochter zu sein, ja. Aber das ändert nichts.«
Lilya seufzte. »Das heißt, ich muss oben in dieser schrecklichen Burg wohnen?«
Tedus nickte bedauernd. »Es gibt Wohnräume für Menschen dort«, sagte sie. »Sie sind nicht sehr behaglich, fürchte ich, aber du wirst es warm haben.«
Lilya verschränkte die Arme und senkte den Kopf auf die Brust. Sie wollte nicht auf die Burg ziehen. Sie wollte hier unten in der Zuflucht bleiben, sich mit Yani treffen, Tidar im Haus helfen, von Tedus unterrichtet werden. Sie wollte, dass Tedus ihr von ihrer Mutter erzählte, und vielleicht auch Aghilas noch einmal sehen. »Muss ich?«, fragte sie kurz.
»Wir stellen seine Befehle nicht infrage«, sagte Tedus. »Er ist der Drache. Du darfst stolz darauf sein, dass er dich unterrichten will, das geschieht höchstens einmal in jeder Generation. Er muss große Stärke in dir sehen.«
»Er will mich bloß ärgern«, erwiderte Lilya zornig.
Tedus lachte und stand auf. »Ich muss etwas schlafen. Weck mich in einer Stunde, dann helfe ich dir packen. Wir haben dann auch noch ein wenig Zeit, um uns zu unterhalten.« Sie legte Lilya die Hand auf den Kopf und ging ins Haus.
Lilya stand auf und überquerte den Platz. Sie lief ziellos weiter, an bereits bewohnten und immer noch leer stehenden Häusern vorbei, während rastlos Gedanken in ihrem Kopf kreisten, gingüber einen weiteren Platz, der genauso aussah wie der erste, und dann noch über einen dritten und vierten. Irgendwann stand sie an der Mauer, die die Zuflucht einschloss, und starrte zur Mauerkrone empor. Wenn sie nun einfach durch das Tor ging und den Berg wieder hinunterkletterte, dann die Wüste durchquerte bis zum Versteck der Alten und weiterging bis zum verlassenen Dorf und dann den Rest des Weges zurück nach Mohor ...
Sie ließ sich an der Mauer zu Boden gleiten und umklammerte ihre Beine, legte die Stirn auf die Knie und schluckte ihre Tränen und ihre Wut hinunter. Sie war in dieser Zuflucht so sicher gefangen wie in einem Käfig. Wohin sollte sie gehen? Selbst wenn es ihr gelänge, die Wüste zu Fuß und alleine, ohne Proviant und Wasser, zu durchqueren ‒ in Mohor wartete nur Kobad auf sie, um ihr die Haut abzuziehen oder sie von seinen Dämonen lenken zu lassen. Also musste sie bleiben.
Sie hob den Kopf und blinzelte entschlossen die Tränen weg. Warum ließ sich ihre Tante Tedus, die so stark und selbstbewusst war, von dem Drachen herumkommandieren? Wahrscheinlich war er ebenso brutal und grausam wie der Shâya und nahm ebenso wenig Rücksicht auf die Wünsche und Nöte seines Volkes.
Aber sie war fest entschlossen, es dem Drachen nicht leicht zu machen, der einfach so über ihren Kopf hinweg über sie bestimmte. Sie würde ihm zeigen, was sie von ihm und seinen Befehlen hielt!
I LLUSIONEN
»Ich beginne, mich vor dem Dunkelmond zu fürchten«, sagte der Prinz. »Während der anderen Tage und Nächte bin ich vollkommen damit beschäftigt, zu überleben und mich mit meiner Verwandlung zurechtzufinden. Aber am Tag des Dunkelmondes habe ich Zeit, über mich und mein Schicksal nachzudenken. Ich habe Angst, Tante.«
Die Peri Banu stand am Fenster und sah in den winterlichen Garten des Serails. Die Zeit der blühenden Bäume und prächtigen Blumen war vorüber, die Früchte und Samen waren längst geerntet und eingelagert, Schnee lag auf dem Geäst der Bäume und formte die akkurat beschnittenen Büsche zu geometrischen weißen Gebilden. »Ich hasse den Winter«, sagte die Feenfürstin gedankenverloren. »Es ist kalt und nass und die Menschen sehen noch hässlicher aus als sonst.«
»Du hörst mir nicht zu«, beklagte sich der Prinz. Er stand an einem der anderen Fenster seines Gemaches und blickte ebenfalls hinaus. Sein Atem ließ das Glas des Fensters beschlagen.
Die Peri Banu wandte sich vom Anblick des verschneiten Gartens ab und musterte ihren Patensohn. »Du hast abgenommen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Du musst auf deine Gesundheit achten,Amayyas. Wenn du krank wirst, weiß doch niemand, ob der Medicus oder der Veterinär für dich zuständig ist.« Sie lachte.
Amayyas starrte sie sprachlos an. »Du machst
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