ePub: Drachenhaut (German Edition)
sie. Er legte die Hände auf ihre Schultern und drückte sie herzlich an sich. »Ich bin noch komplett«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Du erinnerst dich, dass ich eine Familie haben wollte? Kinder? Ich habe dem Medicus sehr deutlich und durchaus handgreiflich erklärt, was er von mir aus mit seinem Messer tun kann.« Er gluckste.
Lilya erwiderte die Umarmung. »Ich bin so erleichtert«, sagte sie. »Ich hatte mir solche schlimmen Sorgen um dich gemacht.« Der feste Druck seiner Arme und sein Geruch nach Staub, Sonne, Schweiß und Kamelen, das Kratzen seiner Wange an ihrer Wange, der Klang seiner Stimme und seines Lachens ließen ihre Knie weich werden.
»Yani«, rief ein Mann. »Steh nicht so faul da herum. Du kannst später noch genug mit den Mädchen schäkern, wenn die Kamele abgeladen sind.«
»Das ist Lilya, Yuften!«, rief Yani. »Sie ist auch hier in der Zuflucht!«
Der Mann stellte die Körbe wieder ab, die er gerade hatte ins Haus bringen wollen, und kam zu ihnen. Sein misstrauischer Blick musterte Lilya vom Kopf bis zu den Füßen und wieder zurück. »Du meinst das verzogene Sardari-Mädchen, das dich beinahe zum Eunuchen gemacht hätte?«, fragte er. »Such dir einen anderen, um ihn auf den Arm zu nehmen, Yani. Die junge Dame hier ist ganz offensichtlich ein Drache.« Er nickte Lilya zu. »Sei meinem Bruder nicht böse, Drachenfrau. Er hat ein loses Maul.« Er gab Yani eine kräftige Kopfnuss. »Du solltest ein wenig mehr Respekt zeigen, Bursche.«
»Ich bin das verzogene Sardari-Mädchen«, sagte Lilya. »Bist du der Bruder, von dem Yani mir erzählt hat? Er hatte solche Sehnsucht nach dir.«
Der Wüstenmann kniff die Augen zusammen. »Ihr habt euch verabredet, mich zum Kamelhintern zu machen«, sagte er lachend. Er hob die Körbe auf, rief: »Beweg dich, Faulpelz«, und verschwand im Haus.
Lilya bemerkte, dass Yani sie musterte. »Du bist wirklich ein Drache«, sagte er. »Deine Narben sind fort. Dein Auge ist heil. Und du bist keine Sardari mehr. Was ist geschehen, hat dein Großvater dich gesund gezaubert?«
Lilya schnaubte. »Der Beg Kobad ist nicht mein Großvater«, sagte sie schärfer, als sie es beabsichtigt hatte. »Und er hat versucht, mich zu töten.«
Yani begriff schnell, das hatte sie an ihm schon immer bewundert. Er legte die Hand vor den Mund und seine Augen wurden dunkel. »Drachenhaut«, flüsterte er.
Lilya nickte grimmig.
Yani strahlte auf. »Du bist wirklich eine von uns«, rief er und hakte sie unter, um sie mit sich zu ziehen. »Komm, lass meinen Bruder schimpfen. Er behandelt mich immer noch wie ein Kind, aber er meint es nicht böse. Ich muss alles haarklein wissen. Wie bist du dem Beg entkommen, und wie ist es dir gelungen, die Zuflucht zu finden?«
»Gehen wir zu meiner Familie«, sagte Lilya fröhlicher und genoss beides ‒ sein verblüfftes Gesicht und die unerwartete Freude, die sie selbst bei diesen Worten durchströmte. »Tidar hat bestimmt schon das Frühstück fertig.«
Sie saßen noch lange, nachdem der Nebel von der aufgehendenSonne vertrieben worden war, vor dem Haus und erzählten sich, was sie erlebt hatten.
Tedus, die offensichtlich ebenso früh wie Lilya schon unterwegs gewesen war, kehrte in dem Moment zurück, als Yani aufsprang und mit schuldbewusster Miene zum Himmel aufblickte. »Yuften bringt mich um«, sagte er, grüßte Tedus mit einem flüchtigen Nicken und lief davon.
»Wer ist der junge Mann?«, fragte Tedus und ließ sich neben Lilya auf der Bank nieder. Tidar eilte aus dem Haus und drückte ihrer Mutter einen Becher in die Hand.
»Er war Küchensklave in Kobads Haus«, sagte Lilya, die keine Lust hatte, eine lange Erklärung abzuliefern.
Tedus verzog das Gesicht und trank ihren Tee. »Armer Junge. Hat der Beg ihn freigelassen?«
Lilya grinste. »Nicht ganz.«
Die Wüstenfrau streckte sich. »Bevor ich dich zum Drachen bringe, sollten wir noch miteinander reden«, sagte sie schläfrig. »Ich war gerade noch einmal bei ihm, um ihn umzustimmen. Meiner Meinung nach solltest du hier bei deiner Familie bleiben und von mir unterrichtet werden. Aber er stellt sich stur und besteht darauf, das selbst in die Hand zu nehmen.« Sie zuckte mit den Schultern.
»Wie meinst du das? Ich darf nicht hier bei euch wohnen?« Lilya spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Jetzt hatte sie endlich ihre Familie gefunden und sollte sich sofort wieder von ihr trennen?
Tedus schüttelte den Kopf. »Wenn er dein Lehrer ist, wirst du auch bei ihm leben. Anders
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