ePub: Drachenhaut (German Edition)
feurige Kreise. Das Rauschen in ihren Ohren schwoll im Rhythmus ihres wild schlagenden Herzens an und wurde leiser, schwoll wieder an und verebbte. Sie kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben, aber die Dunkelheit, die sich über sie legte, nahm ihr Sicht und Atem zugleich.
Hände lagen auf ihren Schultern, eine Stimme sprach leise und sanft mit ihr. Lilya ließ sich in die Berührung fallen und genoss es, einfach nur zu sein. Sie erinnerte sich an ihren Namen und klammerte sich daran wie an einen Anker, der verhinderte, dass sie von der dunklen Strömung davongeschwemmt wurde. »Lilya«, sagte sie.
»Lilya«, bestätigte die sanfte Stimme. Die Hände rieben ihre Schultern, ihre Arme, ihre Hände. Sie rieben Wärme und Leben in ihren Körper zurück.
Lilya seufzte und schlug die Augen auf, erwiderte den besorgten Blick der bernsteinfarbenen Augen. Sie gehörten einem jungen, hellhaarigen Mann. Er hatte lustige Flecken im Gesicht und auf den Schultern. Sie blinzelte und schüttelte ärgerlich den Kopf. Udad. Das war Udad. Sie war Lilya. Sie waren hier ... sie waren ...
Lilya ließ sich von Udad aufhelfen und sah sich um. Ein winziger, düsterer Raum, in den nur durch eine vergitterte kleine Luke ein wenig Licht fiel. Dicke Steinwände. Wo, bei allen Dämonen der neun Höllen, war sie hier?
Dann vergaß sie alles, denn ihr Blick fiel auf den Mann, der in der Ecke auf dem Boden lag. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, und sein Brustkorb, an dem sich die Rippen überdeutlich abzeichneten, hob und senkte sich mit seinem hastigen, flachen Atem. Er wirkte verwahrlost und abgezehrt, mit zottigem Haar und einem mageren, eingefallenen Gesicht.
Lilya wich ein wenig zurück. »Wer ist das?«, flüsterte sie.
Udad riss die Augen auf. »Aber ...«, begann er und sah sie fragend an, »aber ich dachte, du ...« Er sprach nicht weiter, denn laute Stimmen und Schritte von draußen unterbrachen ihn. Erlegte einen Finger auf die Lippen und warf Lilya einen beschwörenden Blick zu.
Lilya nickte ungeduldig. Sie rieb sich über die Schläfen und bat ihre Erinnerungen, sich nicht mehr vor ihr zu verstecken. Sie war Lilya, der Mann dort war Udad. Sie waren hier in einem ‒ in einem Torhaus. Das Tor war verschlossen, aber sie mussten unbedingt hinaus, weil ‒ weil ...
»Der Prinz«, flüsterte sie. »Amayyas.« Ihr Blick wanderte wieder zu dem bewusstlosen Jüngling. Das musste Amayyas sein. Sie erinnerte sich kaum, wie er ausgesehen hatte. Sicherlich nicht so elend und krank wie dieser junge Mann.
Lilya schlüpfte aus ihrem Djilbab und deckte ihn über den Prinzen.
Udad rückte an ihre Seite und hauchte: »Wir müssen ihn aufwecken. Wenn wir ungesehen fliehen wollen, müssen wir es bald tun, der Hof wird immer belebter.«
Lilya nickte und beugte sich über Amayyas. Sie berührte seine Wange und sagte seinen Namen. Seine Haut war klamm wie die eines Kranken. »Amayyas«, wiederholte sie drängender. »Massinissa. Du musst aufwachen!« Die Sorge, dass ihr Zauber ihn in einen Schlaf versetzt haben könnte, aus dem sie ihn nicht mehr wecken konnte, zuckte auf und wurde zurückgedrängt. »Amayyas!«
Seine Lider flatterten. Er stöhnte leise. Lilya gab ihm zwei, drei schnelle Klapse auf die Wange. Er riss die Augen auf und starrte sie an. Angst. Zorn. Misstrauen. Dann, langsam, Erkennen.
»Lilya«, sagte er und versuchte, sich aufzusetzen. Udad sprang herbei und half ihm.
Der Prinz sah von ihr zu Udad und blickte dann auf seineHände, bewegte sie, betastete seine Brust, sein Gesicht. Ungläubig sah er wieder Lilya an. »Ich ...«, sagte er, »ich ...«, und begann zu weinen.
Lilya hielt ihn fest und murmelte beruhigende, sinnlose Worte. »Wir müssen fort«, sagte sie, als seine Tränen versiegten. »Amayyas, kannst du stehen?«
Er knurrte anstelle einer Antwort und ließ sich von Udad auf die Füße ziehen. Schwankend, aber mit hoch erhobenem Kopf stand er da. »Ja«, sagte er. »Gehen wir.«
Lilya nickte, zu erschöpft, um zu lächeln. Sie drehte sich um und legte die Hand an die Tür. »Udad, was hörst du?« Sein Gehör war auch, wenn er seine Menschengestalt besaß, um vieles besser als das ihre.
Er lauschte, schüttelte den Kopf und hob die Hand. Wartet . Nach einer Weile nickte er.
Lilya drückte gegen die Tür und schob sie auf. Es waren nur wenige Schritte bis zum Gitter und der Hof schien leer zu sein. Sie winkte den beiden Männern: Geht vor. Udad half dem Prinzen, der noch wackelig auf den Beinen
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