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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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geriet der wacklige Bücherstapelerneut ins Wanken und stürzte nun unhaltbar dem Astrolabium hinterher.
    »Sieh, was du angerichtet hast!«, schimpfte Lilya und beugte sich nieder, um die Bücher vom Boden aufzuklauben.
    Der Störenfried stellte seine Lampe ab und half ihr. »Ich bitte um Vergebung, Lilya Banu. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Ein wenig besänftigt ob der respektvollen Anrede, nickte sie und sagte: »Ich mache das hier alleine. Du darfst dich entfernen.«
    Der Junge (denn seine Stimme hatte wie die eines Jungen geklungen) machte keine Anstalten, ihrem Befehl zu folgen. Lilya vergaß, dass sie ihm ihr Gesicht nicht hatte zeigen wollen, und blickte ihn an. »Was ist?«, fuhr sie ihn an. »Nun geh schon!«
    Der Junge stand da, in der einen Hand einen kleinen Stapel Bücher balancierend, in der anderen das Astrolabium, und erwiderte ihren Blick. »Ich belästige dich nicht«, sagte er. »Ich hebe nur deine Bücher auf und bringe sie dir in deine Gemächer. Du darfst nichts tragen, du bist eine Banu.«
    Lilya öffnete verblüfft den Mund, denn so unverblümt sprach noch nicht einmal Ajja mit ihr. Was nahm sich dieser Junge heraus?
    Sie fasste ihn genauer ins Auge. Er war aus der Küchentür gekommen, also war er wahrscheinlich einer der Küchensklaven. Seine Haltung war demütig, aber nicht unterwürfig. Er hatte lockiges Haar und eine vorwitzige Nase, und obwohl er jetzt die Brauen zusammenzog, konnte sie das Lächeln erahnen, das sonst in seinem Gesicht wohnte.
    »Hm«, machte sie, schon halb und halb besänftigt. Er starrte sie nicht ungebührlich an und er schien nicht im Mindesten abgestoßen oder ‒ noch schlimmer ‒ fasziniert zu sein von ihrem bösen Auge. Genau genommen ignorierte er es vollkommen.
    »Ach«, sagte sie mit plötzlicher Erkenntnis, »du bist der neue Junge. Wie war dein Name ‒ Yani!«
    »Das ist richtig, Banu.« Er legte das Astrolabium behutsam auf einen Stein und hob zwei weitere Bücher auf, dann sah er sich um. »Sind das alle?«
    Sie nahm seine Lampe und begutachtete den Stapel. Eins der Bücher sah ein wenig ramponiert aus, aber die anderen hatten den Sturz unbeschadet überstanden. Und da es sich bei dem angestoßenen Buch um ein Werk über Mathematik handelte, schmerzte es Lilya nicht gar so sehr. »Ja, das sind alle«, sagte sie. Aber als sie den Stapel erneut in die Arme nehmen wollte, hinderte der Junge sie daran.
    »Das ist meine Aufgabe, Banu«, sagte er. Er legte das Astrolabium auf den Stapel und hob ihn auf. »Ich geleite dich in deine Gemächer.«
    Lilya verspürte keine Lust, sich mitten in der Nacht im Küchenhof mit einem Sklaven herumzustreiten. Sie nickte also und wartete, dass der Junge voranging und die Tür zum Gang öffnete.
    »Äh«, sagte Yani verlegen. »Die Laterne. Könntest du sie nehmen, Banu?«
    »Also.« Lilya schnappte nach Luft. Was bildete der Sklave sich ein? Sie starrte ihn aufgebracht an. Sah seine besorgte Miene über dem Bücherstapel. Dann blickte sie auf die Lampe, die zu ihren Füßen stand, und begann zu glucksen. Sollte sie ihm die Lampe auch noch auf den Stapel stellen und sehen, ob er den Balanceakt bewältigte? Oder, noch besser, auf seinen sturen Lockenkopf?
    Er schien ihre Gedanken zu erraten, denn ein Lachen flog übersein Gesicht und kräuselte seine Nase. »Das schaffe ich«, sagte er. »Versuch es, Banu.«
    Sie erwiderte sein Lächeln und hob die Lampe auf. »Die Treppe hinauf«, sagte sie.
    »Ich weiß.«
    Sie ging voraus und beleuchtete die dunkle Treppe für sich und den Jungen, der ihr folgte. Dann öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer und zögerte. Was würde Ajja sagen, wenn sie einen Küchenjungen ihre Gemächer betreten ließ?
    Yani sah sie fragend an. Sie hob das Kinn und schob die Tür auf. »Dort hinten auf den Tisch am Fenster«, befahl sie.
    Er durchquerte schweigend den Raum und stellte den schwankenden Bücherstapel ab, hob das Astrolabium herunter und setzte es behutsam daneben. Seine Finger strichen bewundernd über das glatte Messing. »Schön«, sagte er. »Mein Onkel hatte auch so eins.«
    Lilya sah ihn ungläubig an. »Was denkst du denn, was das ist?«
    »Eine Sternuhr«, erwiderte er zu ihrer Überraschung. »Mein Onkel war ein Sterndeuter.« Er zuckte die Achseln. »Sie haben alle Männer aus meinem Dorf getötet, die sich nicht zu Sklaven eigneten. Mein Onkel hatte ein lahmes Bein.«
    Lilya stockte der Atem. »Das will ich gar nicht wissen«, sagte sie. »Erzähle mir nicht solche Dinge.«

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