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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Lilya zu, die jetzt erst begriff, was seine Worte bedeuteten. Ihr wurde schwindelig und sie legte schützend die Hand vor ihr Gesicht.
    Der Beg nickte grimmig. »So ist es recht. Ich werde mir etwas dafür einfallen lassen. Bis dahin bleibst du auf deinem Zimmer.« Er wandte sich ab und ging hinaus. Die Tür fiel schwer hinter ihm ins Schloss, und Lilya hörte, wie ein Schlüssel sich drehte.
    »Ajja«, rief Lilya und sprang aus dem Bett. »Ajja, schnell. Wo ist mein Spiegel?« Sie rannte durch das Zimmer und tastete über den Stoff, der den großen, verhassten Spiegel verhüllte, während die Amme ins Nebenzimmer lief.
    Lilya riss die Verhüllung mit einem stöhnenden Laut hinunter und starrte in das Spiegelglas. Ein Blick aus angstvoll geweiteten Augen begegnete ihr. Augen, die strahlend waren, grün wie frisches Gras, hell wie ein Frühlingsmorgen. Beide Augen. Lilya blinzelte und schluckte. Wo war ihr böses Auge? Wie konnte es so plötzlich verwandelt und verschwunden sein? War das ein Zauber? Hatte ihr Großvater auch diesen Spiegel verhext, um ihr eine Freude zu machen?
    Sie ließ den Blick sinken, schob das weite Hemd von ihrer Schulter. Dort waren die schlimmsten Narben, die sich vom Hals bis zum Ellbogen hinunterzogen. Aber sie waren fort. Weiche, unversehrte Haut bedeckte ihre böse Seite. Lilya schluckte schwer. Unversehrt, ja. Aber nicht makellos.
    Sie hörte Ajja heranschnaufen. Die Amme blieb hinter ihr stehen und starrte wie Lilya auf die zarten, hellen Schnörkel, Kringel und Linien, die ihre Haut vom Ohr bis zum Ellbogen bedeckten. Sie zogen sich an der Wange entlang, kringelten sich um ihr böses Auge, tanzten über den Kieferbogen, wanden sich über Hals und Schlüsselbein, verschwanden im Ausschnitt des Hemdes und tauchten am Arm wieder auf, um bis zum Handgelenk immer schwächer zu werden und schließlich zu verschwinden.
    »Was ist das, Ajja?«, flüsterte Lilya. Sie beugte sich vor. Glühten die Linien in einem beinahe unsichtbaren Licht? Bewegten sie sich unter ihrer Haut wie lebende Wesen? Warum erwartetesie, diesen Anblick zu sehen, und warum wurde ihr bei dem Gedanken so bange zumute?
    »Drachenhaut«, antwortete die Amme mit einem Jammerlaut. Sie biss sich auf die Lippe. »Aber du bist kein Wüstenmädchen, du bist die Enkelin des Herrn. Wie kann das nur sein?«
    Lilya schüttelte sich entsetzt. »Du willst doch nicht sagen, dass ich so grässlich tätowiert sein werde wie die alte Frau im Basar?«, rief sie.
    Ajja presste die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. »Das sind Zeichnungen, die von Menschen gemacht sind«, erwiderte sie erstickt. »Auf deiner Haut hingegen ...« Sie schüttelte den Kopf. »Ach, wie kann das nur sein«, rief sie aus. »Wie soll der Herr dich schützen? Niemand darf es sehen, hörst du, mein Pfläumchen, mein kleiner Tautropfen? Du darfst es niemandem zeigen. Es ist gefährlich!«
    »Warum?«
    Ajja rang die Hände. »Du bist nicht in der Wüste groß geworden«, sagte sie mit unglücklicher Miene. »Bei den Wüstenleuten wird ein großes Fest gefeiert, wenn ein Drache aus seiner Kinderhaut schlüpft. Aber hier, bei den Stadtmenschen, bist du in großer Gefahr. Ich bin froh, dass der Herr über dich wachen wird. Er kann dich beschützen.« Sie tätschelte unbeholfen Lilyas Kopf und war offensichtlich bemüht, die seltsamen Zeichen im Gesicht des Mädchens nicht zu berühren.
    »Drachenhaut«, wiederholte Lilya. Sie war mit einem Mal so erschöpft, dass ihre Knie zitterten. »Ajja, ich muss mich niederlegen«, flüsterte sie.
    Die Amme fing sie auf, als sie zusammensackte, und trug sie zu ihrem Bett zurück. Lilya bemerkte noch, während sie wegdämmerte, dass Ajja die Vorhänge ums Bett sorgsam zuzog und feststeckte. Das milde Dämmerlicht tat ihr wohl. Ihre Haut schmerzte, als wäre sie zu lange in der Sonne gewesen.
    Sie rollte sich zusammen und ließ sich in die dunklen Arme des Schlafes fallen. Sie wusste, dass dort, auf der anderen Seite, die Drachenfrau auf sie wartete, aber Lilya verspürte keine Angst, nur Müdigkeit, Trauer um Yani und das Kribbeln und Summen der Drachenhaut.

W ECHSELBALG
    Massinissa, der Prinz von Gashtaham, saß am Fenster und starrte blicklos hinaus. Seine Hände ruhten im Schoß. Er war bis auf das Obergewand vollständig bekleidet, und der Obersteunuch konnte ihm ansehen, dass ihn das seine letzte Kraft gekostet haben musste.
    »Mein Prinz«, sprach er ihn leise an.
    Der junge Mann wandte den Kopf nicht. »Aspantaman«,

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