ePub: Drachenhaut (German Edition)
Handbewegung. Er ließ sich auf einer gepolsterten Ruhebank nieder, wartete, bis die Diener Wein und Schalen mit parfümiertem, gestoßenem Eis herumgereicht hatten, und schickte dann alle hinaus. Die Türen zum Hof wurden geschlossen, und nur noch das Murmeln und Plätschern des Wassers und der Gesang der Vögel erfüllten die Luft.
»Was bringst du mir, Kobad?«, eröffnete der Shâya das Gespräch.
Massinissa hatte sich auf eine niedrige Balustrade gesetzt und Aspantaman stand hinter ihm. Der Prinz beobachtete den alten Magush scharf, aber voller Hoffnung.
»Großedler Shâya«, begann der Beg. Sein Blick flackerte zu Massinissa hinüber und er neigte kurz den Kopf. Der Prinz erwiderte die Geste. Er drückte fest die Hände ineinander. Oh, wenn der Magush ihm doch zu helfen in der Lage wäre!
»Ich habe die Sterne befragt und alte Schriften entschlüsselt, die mir Hoffnung gemacht haben«, fuhr Kobad fort. »Ich will keine Versprechungen machen, bevor ich nicht den Beweis angetreten habe, dass meine Vermutung stimmt ‒ aber ich denke, dass es mir gelingen wird, den Fluch aufzuheben, der auf deinem Sohn ruht.«
Der Shâya stieß den Atem aus. »Das sagtest du mir bereits«, sagte er ungeduldig. »Hast du neue Erkenntnisse gewinnen können? Wie gedenkst du vorzugehen?«
»Ich weiß nicht, wie ich einem Laien die hohen Weihen der hermetischen Kunst in dürren Worten erklären soll«, erwiderte der Beg nicht ohne Hochmut. »Bist du vertraut mit den Stufen der Verwandlung und den Prinzipien des bedingten Bannens?«
Der Shâya fuhr auf. »Magush, dein Benehmen ist frech und unverschämt. Hüte deine Zunge!«
Kobad verneigte sich tief, aber seine Augen funkelten. Er wusste wie alle anderen auch, dass er die Oberhand hatte und der Zorn des Königs wirkungslos und ohne Folgen bleiben musste.
»Um Vergebung«, sagte er. »Ich vergaß mich. Aber die Begeisterung für die Materie und der tief empfundene Wunsch, dem Prinzen zu helfen, haben mich für einen Moment vergessen lassen, zu wem ich sprach.«
Der Shâya nickte unwirsch. »Fahre denn fort.«
Der Beg legte die Fingerspitzen zusammen und begann zu dozieren: »Meine Studien der Alchemie und der Bewegungen der Gestirne haben mir tiefe Aufschlüsse über das Wesen und die Zusammensetzung der Materie gegeben. Ich habe den zarten, dennoch undurchdringlichen Schleier lüften können, der unsere Welt von derjenigen der Geister und Dämonen trennt. Es ist mir auf diesem Wege gelungen, Erkenntnisse zu sammeln, wie sie kein Magush vor mir erfahren hat.«
»Zur Sache, Kobad«, fuhr der Shâya ihm ins Wort. Der Beg presste in einer Aufwallung von Zorn die Lippen zusammen. Lilya hätte diesen Gesichtsausdruck erkannt: Ihr Großvater liebte es ganz und gar nicht, wenn man ihn in einem seiner Vorträge unterbrach.
»Zur Sache, das sagt sich so leicht«, gab er kühl zurück. »Wie soll ich dir verständlich machen, worin mein Verdienst liegt, wenn ich dir nicht aufzeige, woran andere vor mir gescheitert sind? Nun gut.« Er sammelte sich mit gesenktem Haupt.
Massinissa wechselte einen Blick mit seinem Erzieher. Aspantaman hob leicht die Achseln.
»Nun, beginnen wir an einem anderen Ende«, hob Kobad erneut an zu sprechen. »Ihr kennt gewiss diese Amulette, die allerlei nützliche kleine Alltagszauber bewirken.« Seine Worte ließen erkennen, was er selbst von dieser Art Alltagszauber hielt.
Massinissa nickte und auch Aspantaman gab ein zustimmendes Brummen von sich. Der Shâya winkte ungeduldig. »Jeder kennt sie. Seltsame Zeichen auf dünnem Pergament, in Silber gefasst oder in einem Behältnis verwahrt. Du sagst es, das ist Küchenzauber, wie er für Bedienstete und Frauen taugt.«
Kobad lächelte schmal. »So sind wir uns einig«, sagte er mit einem anerkennenden Neigen des Kopfes. »Du weißt sicherlich auch, woher dieses beschriebene Pergament ursprünglich stammt, mein König.«
Der Shâya schob das Kinn vor. »Ich weiß es natürlich«, sagte er eisig. »Es ist meine Aufgabe als Herrscher dieses Landes, auch solche Dinge zu wissen ‒ wobei mich die genaueren Umstände, wie der Zauber in diesen Amuletten praktiziert wird, nicht im Mindesten interessieren. Das sind Magiya-Angelegenheiten. Ich habe keine Zeit für so etwas.«
Kobad nickte nachdenklich. Er blickte Massinissa an, der fragend die Schultern hob. »Ich weiß es nicht, Beg. Ich dachte, dass sie von Magiya hergestellt werden?«
Kobad hob die Mundwinkel um eine Winzigkeit ‒ zu wenig, um es Lächeln
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