ePub: Drachenhaut (German Edition)
zu nennen, aber dennoch deutlich amüsiert. Er beugte sich vor und fischte mit einer schnellen Handbewegung etwas aus der Luft, das er zwischen den Fingern hielt und zeigte. Es war eins dieser krakelig bemalten Pergamentstückchen. »Dies ist ein Zauber, der Flöhe fernhält«, erklärte er. »Gerne benutzt von Kameltreibern.« Er drehte das Pergament, sodass es seine linke Seite zeigte.»So herum benutzt, schützt das Amulett vor Taschendieben.« Er blickte auf und sah den König an. »Küchenzauber. Aber ich habe mich eingehender damit beschäftigt und etwas herausgefunden, was außer mir niemand weiß. Wenn man eine Anzahl kleiner Küchenzauber zu einem großen Stück zusammenfügt, ergibt sich eine Potenzierung ihrer Kräfte. Das in Verbindung mit einem magischen Antrieb kann Ungeheures bewegen.«
»Das heißt?«, fragte der Shâya.
»Das heißt, dass ich deinen Sohn aus den Schlingen des starken Fluchzaubers befreien kann, wenn ich es richtig anstelle.«
Der König richtete sich auf. »Mithilfe einer großen Anzahl dieser Pergamentstückchen?«
»In gewisser Weise ‒ ja.« Der Beg legte die Hände wieder auf seinen Stock. »Du weißt, woher sie stammen. Du hast sie selbst gejagt. Es befindet sich ein Exemplar in meinem Besitz. Unversehrt, vollkommen ‒ und lebend.«
Massinissa hörte, wie der Obersteunuch nach Luft schnappte. Der Shâya starrte den Magush ungläubig an. »Lebend?«
Kobad nickte. »Noch nicht vollständig ausgereift, aber kurz vor der Vollendung. Wenn ich das Objekt mithilfe eines Daevas auflade, wird es ungeheure Kraft freisetzen können.«
»Nein«, rief der König scharf. »Das erlaube ich nicht. Die Beschwörung von Dämonen ist gefährlich und unberechenbar und hat großen Schaden angerichtet. Ich habe es den Magiya in meinem Reich verboten, sich damit zu beschäftigen.«
Kobad hielt dem erzürnten Blick stand. »Dann kann ich nichts für den Prinzen tun.«
»Vater«, sagte der Prinz leise. »Ich bitte dich, deine Haltung zu überdenken ‒ zumindest in diesem einen Fall.«
Der Shâya sah ihn nicht an. »Nein«, wiederholte er. »Dämonenbeschwörung. Warum nicht gleich Nekromantie oder noch Schlimmeres? Ich will nicht, dass unkontrollierbar gewordene Daevas oder wiedergekehrte Tote mein Land heimsuchen.«
Massinissa sah, dass die Lider des Begs zuckten. »Ich beherrsche mein Handwerk«, sagte er. »Die Kontrolle von Dämonen ‒ oder Toten ‒ gelingt einem Magush nur, wenn er seinen eigenen Geist vollkommen beherrschen kann. Das ist allerdings nicht jedem meiner Kollegen gegeben.« Er neigte den Kopf. »Da ich meinem König also nicht von Nutzen sein kann ‒ darf ich untertänigst darum bitten, mich entfernen zu dürfen?«
Der Shâya knurrte und griff nach der kurzen Hundepeitsche, die an seinem Gürtel hing. Kobad zuckte nicht, sondern sah den König nur mit allerhöchster Aufmerksamkeit an.
»Vater«, sagte Massinissa. Er erhob sich und kniete vor dem König nieder. »Lass es ihn versuchen, ich bitte dich inständig. Kobad ist der fähigste Magush in deinem Reich. Ich vertraue ihm.«
Der König beugte sich vor und musterte seinen Sohn eindringlich. Massinissa sah den Widerwillen im Blick seines Vaters und schluckte. »Es ist dein Leben, das auf dem Spiel steht«, sagte der Shâya leise. »Du wirst sterben, wenn er sein Handwerk nicht so gut beherrscht, wie du es annimmst. Willst du das riskieren?«
Der Prinz hob stolz den Kopf, so gut ihm das gelingen wollte. »Es ist mein Leben, ja.« Er berührte seinen Kopf, seine Schulter, seinen Leib. »Wenn allein dies die Gestalt wäre, mit der ich bis an mein Ende leben muss, würde ich zaudern. Aber der nächste Mond naht. Ich habe weniger und weniger Kontrolle über das Tier. Wenn jemand durch mich stirbt, der mir vertraute ...«
Der König war es, der als Erster den Blick senkte. »Du sollst deinen Willen bekommen«, sagte er leise. »Aber ich bete, dass wir es nicht bereuen werden.« Er sah den Magush an. »Also gut, Kobad. Reden wir über die Konditionen.«
Der Beg lehnte sich zurück und lächelte. »Ich verlange nicht viel, mein König«, sagte er mit seidenweicher Stimme. »Ich bin wohlhabend und besitze bereits alles, was ein Mann benötigt, im Übermaß.« Er hob seinen Stock und musterte den Knauf, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Allerdings gibt es ein Werk, das ich vollenden möchte, ehe ich sterbe. Ich bin kein Jüngling mehr; die Zeit drängt also.« Er verstummte und senkte den Blick.
»Sprich, Mann«, rief
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