ePub: Juniper Berry
du hast Glück. Gleich ist einer fertig.«
Er setzte die Brille wieder auf und begann von Neuem, an der Kurbel zu drehen. Hin und wieder stocherte er mit der Nadel in der Maschine herum, was jedes Mal einen Funkenflug auslöste. Ein paar Funken blieben in seinem Bart hängen, zischten und qualmten. Juniper machte vorsichtshalber einen Schritt zurück.
Bald erschien ein roter Ballon zwischen den sich drehenden Zahnrädern und landete auf dem Tablett. Theodor griff in die Tasche seines Anzugs, holte ein Paar braune Lederhandschuhe heraus und zog sie an. Dann nahm er den Ballon und untersuchte ihn gründlich, während sich die Linsen seiner Brille scheinbar aufs Geratewohl zusammenzogen.
Schließlich warf er den Ballon auf den Tisch und seufzte. »Er ist fehlerhaft.«
»Fehlerhaft?«
»Ich muss irgendwo im Produktionsprozess einen Fehler gemacht haben. Das kommt vor. Es ist ein sehr komplizierter Prozess.« Er sah traurig aus. »Es ist seine Lieblingsfarbe. Dieser Ballon wäre Teil seiner persönlichen Sammlung geworden. Für einen ganz besonderen Handel. Doch nun ist es leider nur ein ganz normaler Ballon.« Er führte ihn zum Mund, blies hinein und ließ die Luft wieder entweichen. Als er fertig war, reichte er ihn Juniper. »Hier, für dich. Er ist wertlos für ihn, ein gewöhnlicher Luftballon. Doch für dich … vielleicht findest du ja eine Verwendung für ihn.« Er zwinkerte ihr zu. Oder war es nur seine Brille?
Sie dankte ihm mit einem winzigen Lächeln und steckte den roten Ballon in die Tasche. »Was ist ihre Aufgabe?«, fragte sie. »Die Ballons, die nicht fehlerhaft sind, meine ich. Was machen sie eigentlich?«
Theodor lehnte sich zurück und faltete die Hände. »Sag mir, Fräulein Berry, was tust du eigentlich an einem Ort wie diesem?«
»Ich … ich bin meinen Eltern gefolgt.«
»Oh. Es tut mir leid, das zu hören. Haben sie diesen Ort gerade erst entdeckt? Manchmal höre ich Geräusche vor meiner Tür, aber was außerhalb dieses Raumes vor sich geht, bleibt ein Rätsel für mich.«
»Ich glaube, sie kommen schon lange her.«
»Verstehe.« Er beugte sich mit weit geöffneten Augen vor. »Hör mir jetzt genau zu. Du musst sie aufhalten. Sie dürfen nicht mehr herkommen. Nie wieder.«
»Warum? Was passiert sonst?«
»Ich bin sicher, du hast es bereits bemerkt. Sie müssen sich direkt vor deinen Augen verändern, du armes Kind. Sie ähneln nicht mehr den Eltern, an die du dich erinnerst, nicht wahr?«
Traurig schüttelte Juniper den Kopf.
»Und weißt du auch, warum? Weißt du, was deine Eltern bei diesem Handel verlieren?«
»Sie blasen einen Ballon auf.«
»Vergiss nicht, es sind besondere Ballons. Sie funktionieren ganz anders als die gewöhnlichen Ballons, die du kennst. Nein, diese Ballons werden nicht einfach mit Luft aufgeblasen.«
Seine Worte machten Juniper Angst. »Womit dann?«
»Sie nehmen einem die Seele.«
Juniper vergrub das Gesicht in den Händen.
»Tief in dir drin hast du es bereits gewusst, nicht wahr? Du hast die Zeichen gesehen.«
»Ja …«, schluchzte Juniper zwischen ihren Fingern hindurch.
»Juniper, deine Eltern können und dürfen keine weiteren Ballons mehr für ihn aufblasen.«
»Warum? Warum tut er das?«
»Mein liebes Mädchen, diese Ballons sind sein Lebenselixier. Mit viel List und schönen Worten sammelt er so viele er kann und lagert sie, damit sie reifen. Wenn er dann schließlich die Luft aus einem Ballon einatmet, gewinnt er Jahrzehnte neuer Lebenszeit. Er hat Dutzende Ballons gelagert und die Luft von weiteren Dutzenden bereits eingeatmet. Er versucht, ewig zu leben. Mit ihm ist nicht zu spaßen. Er ist älter, als du es dir vorstellen kannst, und er wird länger auf dieser Erde weilen, als es irgendeiner sonst jemals schaffen wird.« Er verstummte und atmete seufzend aus, als wollte er so leer werden wie sein Ballon. »Abgesehen von mir vielleicht. Er zwingt mich, ebenfalls von den Ballons zu trinken.«
»Wer ist er?«
» Was ist er, besser gesagt. Er ist ein schwarzer Spiegel, ein dunkler Dieb, der vor langer Zeit hierher verbannt wurde.«
»Verbannt von wo?«
»Von einem Ort, an den kein Mädchen wie du gehört. Ein Ort, an den du nicht einmal denken solltest, wenn du nicht verrückt werden willst. Glaub mir, Juniper, es gibt wesentlich schlimmere Welten als diese. Und jetzt musst du deinen Eltern helfen.«
»Was kann ich tun?«
»Lass deine Eltern nicht hierher zurückkommen. Halte sie auf, koste es, was es wolle. Bevor es zu spät
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