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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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und dem ausgelobten Preis für - und da tippte ich vehement mit dem Finger drauf - für den Sieger.
    Scuzzi las und pfiff durch die Zähne.
    »Hey, hey, hey«, machte er und sah grinsend zu mir hoch. »Jetzt versteh ich.«
    »Können wir dann mal los?«, fragte ich.
     
    »Darling, won’t you please … surrender«, sang ich, tief, ölig, mit sanftem Vibrato, »to my arms so warm and tender? Let’s make this night a night of …« Kleine Pause, schmachtender Blick, Augenaufschlag wie ein Klosettdeckel. »… passion«, keuchte ich, überwältigend, »let’s make this night a night of … love.«
    Scuzzi sah mich an, als ob er bereit sei, sich augenblicklich und ohne Widerstand von mir ins Bett schleppen und bis zum Eintreten völliger Erschöpfung ficken zu lassen. Ermutigend, wenn man bedenkt, dass Scuzzi ebenso hetero wie ansonsten vollkommen glücklich ist mit seinen Drogen. Sex? Ach du je.
    »Vielleicht noch mal mit ein bisschen mehr Hall?«, schlug ich vor. Ich war nicht bereit, heute Abend irgendetwas dem Zufall zu überlassen. Der Preis war mein, mein, mein, und wenn ich dafür würde töten müssen.
     
    Das nasale Indiana wants me wurde kurz unterbrochen vom Bing, Bang, Bong, das den Aufruf zum Fünf-Uhr-Tee einleitete. »Great Songs, Great Countries«, eine weitere ans Genialische heranreichende Pierfrancesco-Scuzzi-Compilation.
    Gott, was hatte ich den Glockenschlag herbeigesehnt! Augenblicklich hievten sie sich draußen vor der Kabine ächzend aus den Deckstühlen und hechelten schlurfenden Schrittes der nächsten Mahlzeit entgegen.
    Ich schnappte mir den Einkaufswagen und schob ab Richtung Kühlhaus. Das frostige Gut, in das ich die Leiche gepackt hatte, befand sich in Auflösung, und wenn ich nicht rasch Ersatz auftrieb, würde es dem Verblichenen über kurz oder lang nicht besser ergehen.
    Jochen war unterwegs, irgendeinem Kreditkarten-Ärger irgendeines Passagiers nachzugehen. Vor morgen früh, hatte er zuvor herausgefunden, würde sich Antonovs Übung nicht bis zu unserer Kabine vorgearbeitet haben. Was uns eine Nacht Zeit ließ, entweder die Leiche umzubetten - nur wohin? - oder aber den Reis aufzutreiben - nur woher? - und den dann zu »finden«, oder, noch besser, ihn von irgendeinem Unbeteiligten finden zu lassen. Eine Nacht minus, nicht zu vergessen, die Karaoke-Veranstaltung.
    Langsam wird mir das alles zu viel, dachte ich und wuchtete eine weitere Großverbraucherpackung portionierbares Kühlgut in den Einkaufswagen. Dann hatte ich, wie das schon mal passiert, eine Idee. Eine tolle Idee.
    Tief in Gedanken wendete ich die Karre, und Masimoto-San starrte mir, Arme vor der Brust verschränkt, mit finsterster Miene entgegen. Mit finsterster Miene und einem langen Fleischermesser in der rechten Faust, sollte ich vielleicht erwähnen. Lang genug, um jemanden damit …
    »What«, schnappte er, »are you doing here?«
     
    Der Reis, dieser Scheiß-Reis! Was diese Leute für einen Aufstand um diesen blöden Reis machten!
    Erst mal, ja, fangen wir ruhig damit an: Erst mal habe ich so meine eigene Theorie zu diesem ganzen Feinschmecker-Getue. Neun von zehn dieser selbsternannten Gourmets und Weinkenner können doch, ohne das Etikett studiert zu haben, einen zwölf Jahre alten Margaux nicht von ‘ner Pulle Lidl-Lambrusco unterscheiden. Bei Reis, sagte ich mir und wuchtete den Sack aus dem Einkaufswagen, wird das wohl kaum anders sein. Selbst wenn es sich um eine Bande dekadenter asiatischer Millionäre handelte, die sich mit dunklen Sonnenbrillen und weißen Handschuhen vor dem Anblick und dem Hautkontakt mit der minderwertigen westlichen Welt schützen mussten und die einem Gemeinwesen entstammten, das sogar seinen so genannten Wein und anderen Fusel aus diesen blöden Grassamen herstellte. Selbst wenn sie tagaus, tagein, jahraus, jahrein nichts anderes mampften und eine feine Zunge für dieses Zeugs entwickelt hatten. Selbst dann war diese ganze Basmati-Golden-Triangle-Hysterie für mich nichts als affektiertes Gehabe.
    Unmöglich zu sagen, ob Masimoto mir geglaubt hatte, mein Aufenthalt in der Kühlkammer sei Teil meiner Suche nach seinem kostbaren Reis gewesen. Komplett undurchschaubar, der herrische Koch. Und es hatte mich wirklich Nerven gekostet, anschließend auch noch in das andere Lebensmittellager vorzudringen. Doch es war unabdingbar gewesen, wollte ich meine tolle Idee in die Tat umsetzen.
    Langes und hartes, hartes Grübeln war nötig gewesen, doch dann meinte ich mich zu erinnern, wie

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