Equinox
der verdammte Sack ausgesehen hatte, den wir nichts ahnend von vier Matrosen hatten ins Meer schmeißen lassen. »Golden Triangle« war, mit asiatischer Akkuratesse, tatsächlich in Goldschrift auf das Gewebe gedruckt gewesen.
Zum besseren Verständnis noch mit einem goldenen Dreieck zwischen den beiden Wörtern. Und »Basmati« stand drauf, auf dem Sack, den ich in diesem klammen Augenblick nach der Begegnung mit Masimoto aus der Vorratskammer geklaut hatte. Der Rest war Klebeband, Buchstaben-Schablonen, Pinsel, ein Töpfchen Goldbronze. Alles in einem unbeobachteten Moment aus der Werkstatt des Schiffszimmermanns organisiert.
Ich geb euch »Golden Triangle«, dachte ich. Lang und schmutzig. Doch erst mal brauchte ich einen Föhn. Ich stand auf, warf einen Blick um mich.
Wassilij Kryvidnadse hatte, seinem Rang entsprechend, eine Kabine für sich alleine gehabt. Ja, hatte gehabt. Mittlerweile teilte er sich eine mit Scuzzi, Jockel und mir. Für mein Vorhaben der Reisfälschung brauchte ich ein ruhiges Plätzchen, und was ist ruhiger als die Kabine eines Toten?
Ruhig. Und gleichzeitig dröhnend vor lastender Präsenz. Ich sah mich bewusst nicht weiter um, fasste nichts an. Für eine gründliche Durchforstung hatte ich nicht die Zeit, also verschob ich den ganzen Vorgang auf später. Später, ja. Das erste Mal seit Stunden wurde mir bewusst, wie müde ich war, wie zäh und nur noch auf den nächsten Schritt ausgerichtet mein Denken. Bad. Föhn. Eingestöpselt. Ein fremdartig beschriftetes antiquiertes Stück mit Metallgehäuse. Ich drückte den Knopf und das Ding jaulte auf wie eine Luftschutzsirene. Genervt zerrte ich den Sack ins Bad. Und schloss die Tür. Nichts ist ruhiger als die Kabine eines Toten. Da möchte man doch nicht, dass irgendjemand im Vorbeilaufen seinen Föhn heulen hört.
Noch während ich den Schriftzug trockenpustete, dachte ich über einen geeigneten Fundort nach. Das Beste wäre, wenn die Japaner selbst über den so schmerzhaft vermissten Edel-Reis stolperten. Doch dazu müsste ich den Sack in den video-überwachten Passagierbereich schmuggeln. Gottverdammich. Geht denn nichts einfach?
Der Föhn jaulte monoton, und ich ließ mich auf dem Pott nieder und lehnte meine Stirn gegen die kühlen Kacheln. Ich war kaputt wie ein Hund. Nicht unbedingt der wünschenswerte Zustand zu Beginn einer sicherlich, ääh, herausfordernden Nacht.
Sobald die Farbe trocken ist, lade ich den Reis ab, dachte ich, und dann muss ich mal einen tiefen Blick in unser Kühlfach werfen.
Liebste Ingrid,
noch sind zehn Tage Zeit, deine Entscheidung zu überdenken. Hier verrinnen inzwischen die Stunden, in denen man noch mailen oder mit dem Handy telefonieren kann. Wenn du also antworten möchtest, tue es rasch. Warum beantwortest du meine Mails nicht? Nach all der schönen Zeit, die wir zusammen hatten? Niemals werde ich die zwei innigen Wochen auf Knesel vergessen, all die Vogeleier, all die Sterne, die wir gezählt haben, auch wenn ich nach wie vor der Ansicht bin, dass du etwas zu vertraulich im Umgang mit dieser russischen Schiffsbesatzung gewesen bist, und mich bis heute frage, warum sie immer so gelacht haben, wenn ich ihnen begegnet bi
Ich machte einen vorsichtigen Schritt zurück, dann noch einen. Dann zwei rasche Schritte vor und ein Klaps auf die Schulter und Jochen sah überrascht zu mir hoch.
»Hey«, sagte ich, ohne den Bildschirm eines Blickes zu würdigen, »fleißig?«
Jochen deutete mit dem Kinn zu dem großen, in sieben Sprachen verfassten Pappschild, das an einer Wand des Internet-Cafés prangte und ein voraussichtliches Ende der Netzabdeckung in stündlich korrigierten Zahlen ankündigte. Die aktuelle war 27. Danach würden wir so weit in die nördliche Leere vorgedrungen sein, dass jeglicher Kontakt nach außen nur noch über Jansen, den Funker, möglich war.
»Will nur eben meine Mails an zu Hause abschicken«, meinte er, »bevor sich hier die großen Warteschlangen bilden.«
»Lass mich raten«, sagte ich. »Ingrid?«
Jochen nickte mit großem Ernst.
»Ich hoffe immer noch, sie zurückzugewinnen«, murmelte er und seufzte zum Gotterbarmen. »In vielerlei Hinsicht ist sie die Frau meines Lebens.«
Wie alle, wie jede, mit der er je zusammen war. Für Jochen Fuchs braucht nur eine Thekenschlampe die Zähne zu fletschen, und sie ist die Frau seines Lebens. Jesus, wenn ich mir das Gejammer nicht noch über Wochen und Monate anhören wollte, musste ich ernsthaft etwas
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