Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
vor sechs erreiche ich das Haus in Solåsen.
Papa serviert ofengebackenen Lachs mit roter Kaviarsauce und Kartoffeln. Es schmeckt mir so gut, dass ich eine ganze Weile einfach nur genieße und nichts sage. Papa sieht mich fast ein wenig besorgt von der anderen Seite des abgenutzten Kieferntisches an, der in der Küche steht, solange ich zurückdenken kann.
»Du isst doch hoffentlich ordentlich, meine Kleine?«, fragt er. »Ich finde, du hast abgenommen.«
»Seit Samstag?«, sage ich zwischen den Bissen und lache. »Das bildest du dir nur ein. Außerdem würde es nichts schaden, wenn ich ein paar Kilo abnehme.«
»Du bist genau richtig, wie du bist«, sagt Papa mit Nachdruck.
»Das sagen Eltern doch immer«, wende ich ein.
»Hat irgendwer das Gegenteil behauptet?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Bist du mit der Kamera zufrieden?«
Ich nicke.
»Ich hab sie sogar dabei. In der Tasche. Eigentlich wollte ich heute ein paar Fotos vom Café machen, aber ich bin nicht dazu gekommen.«
Papa schiebt mir den Lachsteller zu und ich nehme mir noch etwas. Das rosa Fischfleisch legt sich butterzart neben die halbe Kartoffel auf meinem Teller.
»Willst du was Bestimmtes oder hattest du nur Lust auf Gesellschaft?«, frage ich, als ich einen Löffel Sauce über das Ganze gebe.
Papa lacht leise.
»Ich freue mich natürlich immer, dich zu sehen«, sagt er. »Aber diesmal habe ich tatsächlich ein Anliegen. Oder eher eine Frage. Gestern Abend hat Edwin überraschend angerufen, weil er sich Geld von mir leihen wollte. Ziemlich viel Geld obendrein. Er hat von seinem Handy angerufen, und es klang, als wäre er irgendwo in der Stadt unterwegs.«
Papa fährt sich besorgt mit einer Hand über das schütter werdende Haar und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
»Vielleicht hat es ja gar nichts zu bedeuten, aber irgendwie hat mich das beunruhigt. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Junge mich jemals um Geld gebeten hätte.«
Ich lache. »Die meisten Eltern fänden das wahrscheinlich eher eigenartig!«
»Ja, doch, mag schon sein … Wie auch immer. Er meinte, dass er das Geld bräuchte, um Schulden zurückzuzahlen, was ja an und für sich sehr lobenswert ist. Die Frage ist nur, von wem er sich so viel Geld geliehen hat und wofür? Ich will natürlich nicht, dass du deinen Bruder verpetzt, aber ich würde trotzdem gern wissen, ob du weißt, ob er irgendwie in der Klemme steckt.«
Ich ziehe die Schultern hoch. »Sorry, aber ich bin auch nicht schlauer als du. Von mir hat er sich auch was geliehen.«
Auf Papas Stirn bilden sich ein paar tiefe Furchen, und er spitzt die Lippen wie immer, wenn er nachdenkt.
»Hm«, sagt er, »das gefällt mir gar nicht.«
»Ach was«, sage ich. »Du weißt doch, wie er ist. Wahrscheinlich hat er sich irgendein Statusobjekt gekauft, Markenklamotten oder das Allerneueste für den Computer. Ein Paar Markenjeans können siebentausend Kronen kosten.«
»Meine Güte!«, sagt Papa.
Wenig später kocht er Kaffee und wir ziehen auf die Sofagruppe um. Es geht auf acht Uhr zu, und durch die großen Fenster fällt, gefiltert durch die abendlichen Schleierwolken, milchiges Sonnenlicht. Papas Gesicht sieht in der Beleuchtung feinsinnig und nachdenklich aus.
»Bleib so! Nicht bewegen!«, kommandiere ich und laufe los, um die Kamera zu holen.
Die meisten Menschen haben ein spezielles Fotoaussehen. Sie legen sozusagen ein spezielles Gesicht auf, sobald eine Linse auf sie gerichtet ist. Papa gehört auch zu denen. Sobald ich die Kamera hebe, wird sein Lächeln steif, unnatürlich und oberflächlich. Ich fordere ihn auf, genauso zu sein wie vorher, aber erst einen Batzen Zeit und viel Platz auf der Speicherkarte später zeigt er endlich wieder den nachdenklichen Ausdruck, den ich ursprünglich einfangen wollte. Am Ende habe ich mein Bild.
»Ich mach dir einen Ausdruck«, sage ich zufrieden. »Es ist superschön geworden!«
»Hm«, sagt Papa. »Mich sehe ich auch so oft genug. Mach doch lieber ein schönes Bild mit Selbstauslöser! Meine Bilder von dir sind mehrere Jahre alt. Inzwischen bist du erwachsen.«
Diese Feststellung bringt ihn auf eine neue Gedankenspur.
»Ich wollte dich schon lange mal was fragen«, sagt er. »Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. Aber, als Lena und ich uns getrennt haben … da warst du zwölf, oder?«
Ich nicke bestätigend.
»Im Prinzip durftet ihr ja selber entscheiden, wie es euch am liebsten war, dir und Edwin. Und du scheinst nie gezweifelt zu haben. Edwin
Weitere Kostenlose Bücher