Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
Punkt in seiner Iris, wie ein Stern am Nachthimmel.
»Dabei sitze ich an meinem Computer am anderen Ende und bin genauso wirklich wie du«, sagt er.
»Ich weiß. Eigentlich weiß ich das. Ich will es nur nicht wissen.«
Ich lächele verlegen und er lächelt ebenfalls. Er ist so unendlich verdammt wunderbar, dass es fast wehtut, ihn anzusehen.
»Dabei würde ich gar keinen Freund haben wollen wie dich«, sage ich. »Ich brauche einen gewöhnlicheren, alltäglicheren Typ. Jemanden, dem ich das Wasser reichen kann sozusagen.«
Adrian schüttelt den Kopf. »Mach dich doch nicht kleiner, als du bist! Du bist hübsch und sexy und intelligent. Ich bin meistens zerstreut und verwirrt. Frag Ellinor, sie wird es dir bestätigen.«
Ich kichere.
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.«
Er lässt meine Hand los und geht vor mir auf den Pontonsteg. Unter uns gluckst das Wasser, die Holzplanken knarren, und die Metallringe reiben sich klirrend an den Pfählen, die den Steg an seinem Platz halten. Die Geräusche sind so deutlich in der Stille.
»Von mir aus behalt ruhig dein überzogenes Bild von mir«, sagt er nach ein paar Sekunden. »Ich finde es toll, wenn ich in deine strahlenden Augen schaue und mir vorstelle, dass sie gerade etwas sehen, das ihnen gefällt.«
Er wirft mir einen kurzen Blick zu und lächelt.
»Wenn ich das zu Ellinor sagen würde, würde sie sofort kontern, dass ich nicht sie sehe, sondern mich nur in ihr spiegele.«
»Tut das nicht jeder? Man macht sich ein Bild von sich selbst, indem man sich in anderen spiegelt. Aber das muss einen ja nicht davon abhalten, die andere Person auch zu sehen, oder?«
»Vielleicht nicht.«
Adrian kniet sich hin und steckt eine Hand ins Wasser. »Verflixt, ist das kalt …«
Oben auf der Straße fährt ein Auto vorbei. Die Scheinwerfer schwenken über den Steg, strahlen uns und den Steg für eine Sekunde an. Ich fühle mich unangenehm exponiert. Es braucht uns nur ein einziger Bekannter hier zu sehen, dann ist die Katastrophe ein Fakt. Als ich wieder an Land gehe, merke ich, wie meine Füße Abdrücke im Sand hinterlassen. Adrian ist hinter mir. Ein paar Meter vor der Abzäunung stehen zwei große Bäume, unter denen hitzeempfindliche Großeltern Schutz zu suchen pflegen, während ihre Enkelkinder unermüdlich im flachen Wasser herumtoben. Jetzt ist der Schatten unter den Bäumen tiefschwarz, durchbrochen von ein paar Flecken der Straßenlaterne. Wie auf ein vereinbartes Zeichen werden wir beide langsamer, als wir in den Schatten treten.
»Wärst du sauer, wenn ich dich küsse?«, fragt er.
Die Frage ist wie aus einem Vierzigerjahre-Film.
»Sauer? Wärst du etwa sauer, wenn ich dich küsse?«
»Total sauer. Weil ich mich hinterher zu Tode nach etwas verzehren würde, das ich nicht haben kann. Die Umarmung in deinem Flur war schon schlimm genug.«
Mein Puls jagt in die Höhe und mein Herz hämmert wie nach einem Sprint. Ich sehe seine Lippen, ahne ihre Konturen in der Dunkelheit, streichele sie mit meinem Blick, versuche zu atmen.
»Dann … lassen wir es wohl besser bleiben …«, murmele ich.
Er nickt. »Ja, das ist wahrscheinlich sicherer. Ich wollte nur sagen, dass ich es wollen würde – damit du es weißt.«
»Okay. Ich auch – damit du es weißt.«
Wir lächeln uns an unter der ausladenden Baumkrone, dann gehen wir zurück zum Motorrad und fahren nach Hause. Vorbei an Tingvalls großer, weißer Villa. Meine Gedanken schweifen ganz kurz ab zu Markus und dem weißen Pulver. Aber nur einen Augenblick, dann bin ich mit all meinen Sinnen wieder bei Adrian. Es gibt nichts anderes als ihn und seinen Körper. Ich drücke mich an ihn und wünsche mir, dass wir unendlich weiterfahren. Aber so ist es natürlich nicht, unerbittlich erreichen wir die Korngaten und meinen Hauseingang, und Adrian bleibt stehen, ohne den Motor abzustellen. Kalte Luft schiebt sich zwischen uns, als ich mich widerstrebend von seinem Körper losreiße und absteige. Ich verglühe vor Sehnsucht und bin unheimlich präsent, und in mir schreit alles protestierend auf, als ich den Helm abnehme und die Jacke ausziehe und ihm beides gebe.
»Danke«, sage ich.
»Ich danke dir«, sagt er.
Er sieht verbissen aus und guckt mich nicht an, als er Gas gibt und mit dem glänzenden Motorrad die Straße runterrollt.
Ich gehe mit vereisten, matten, heißen und weichen Beinen die vier Stockwerke hoch. Es ist kurz vor Mitternacht, aber an Schlafen ist nicht zu denken. Ich trinke ein Glas Wasser
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