Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
und gehe im Zimmer auf und ab. Dann setze ich mich vor den Computer, lösche ein paar alte Mails und warte. Nach nicht einmal einer Viertelstunde loggt er sich ein. Ich wusste es. Wie eine stumme Absprache.
Adrian: Ich will dich!
Emma: Ich dich auch. Ganz schrecklich. Aber es ist nun mal, wie es ist.
Adrian: Ich weiß! Aber um ein Haar hätte ich dich gefragt, ob ich mit raufkommen darf …
Emma: Gut, dass du das nicht getan hast, ich hätte nicht Nein sagen können.
Die Worte stehen in Feuerschrift auf dem Bildschirm. Ich lese sie immer wieder und warte, aber es kommt keine Antwort. Nach einer Weile halte ich es nicht mehr aus.
Emma: Bist du noch da?
Adrian: Ja, aber ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Mir gehen nur Sachen durch den Kopf, die ich nicht sagen sollte.
Ich werde jetzt eine eiskalte Dusche nehmen und mich ins Bett legen, glaube ich.
Emma: In deinem Bett wartet wenigstens Ellinor, da brauchst du vielleicht nicht so lange zu leiden.
Ich bereue den Kommentar im gleichen Augenblick, als ich die Sende-Taste drücke, aber da ist es zu spät. Das sollte ein Scherz sein, klingt aber wahrscheinlich eher zynisch.
Adrian: Hör schon auf. Es geht nicht nur um Sex. Ich habe jedenfalls nicht vor, zum Trost mit ihr zu schlafen, das ist dir doch hoffentlich klar?
Emma: Sorry. Das war blöd. Aber ich weiß nicht, was ich
schreiben soll … Sollte wohl auch kalt duschen :)
Adrian: Ist es gemein, mitten in dem ganzen Chaos zu sagen, dass es mich freut, dass du auch so empfindest?
Emma: In diesem Fall bin ich nicht weniger gemein. Es ist völlig unfassbar, dass ausgerechnet du mir so was schreibst! Ich kriege schon Atemnot, wenn ich nur an dich denke.
Adrian: Ich spüre immer noch deinen Körper an meinem.
Du warst so nah, trotz der Pullover und Jacken dazwischen. Ich muss jetzt wirklich unter die Dusche, bevor ich verrückt werde. Schlaf gut, Emma.
Emma: Schlafen? Ha, das glaubst auch nur du. Trotzdem gleichfalls.
Ich sehe ihn ausloggen und sein Bild hinter dem Schleier verschwinden, stehe auf, ziehe mich aus und stelle mich unter die Dusche. Will mit ihm zusammen duschen, mir vorstellen, wie er nackt unter dem Wasserstrahl steht. Aber ich kann mich nicht überwinden, den Kaltwasserhahn anzudrehen. Stattdessen füllt sich mein kleines Badezimmer mit dichten Dampfschwaden, während meine Haut von dem heißen Wasser ganz rot wird. Die Unruhe ist hinterher noch genauso greifbar. Ich krieche unter die Bettdecke und schließe die Augen, versuche, das Gefühl mit in den Schlaf zu nehmen, aber das geht nicht. Ich war noch nie in meinem Leben so wach.
Erst als es draußen schon hell wird und der Radiowecker bereits Luft holt, um sein hartnäckiges, langgezogenes Piepsen von sich zu geben, falle ich in einen kurzen, unruhigen Schlummer.
Wie ist das möglich, dass ein anderer Mensch so vom eigenen Körper Besitz ergreifen kann?
Dass ein Mann, der dir näher kommt, plötzlich Lust in einem auslöst, ist nicht ungewöhnlich. Das ist biologisch erklärbar und nachvollziehbar. Aber das jemand so vollständig Platz in jemand anderem einnehmen kann wie Adrian in mir, ist unfassbar.
Es gibt ihn schon so lange in meinem Leben, ich habe ihn tausendmal getroffen, und ich hab nie einen Hehl draus gemacht, dass er bei mir unter der Kategorie »attraktiv und gut aussehend« eingeordnet ist. Aber er gehörte auch immer schon zu der Unterkartei »unerreichbarer, daher nicht infrage kommender Kandidat«. Ich habe ihn betrachtet wie einen begehrenswerten Glitzerstein, ein schickes Accessoire an den Fummeln einer Modenschau in Paris oder am perfekten Nasenflügel seiner Freundin. Man weiß, dass man es nicht kriegen kann und dass es darum überhaupt keinen Sinn macht, seine Sehnsüchte darauf zu projizieren.
Also, was ist eigentlich anders als vorher?
Adrian ist noch immer genauso unerreichbar. Er und ich, das wird es niemals geben, die Möglichkeit existiert nicht. Trotzdem will ich ihn, ganz plötzlich. Trotzdem kreisen meine Träume um seinen Körper, meine Worte verweben sich zu Schlingen und Mustern, die auf ihn ausgerichtet sind, alles, was ich sagen und tun will, ist wie ein Schmerz in mir, nimmt viel zu viel Platz ein, will raus, macht mich wahnsinnig vor Sehnsucht. Er ist in mir, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, in der Stadt um mich herum, im Fahrradsattel zwischen meinen Beinen, in der Luft, die meine Lungen und jede Windung meines Hirns passiert.
Am Tag nach dem Motorradausflug ist er, der bis dahin nur
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