Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
Rest vom Morgen. Ich will auf keinen Fall den Eindruck machen, als hätte ich mich extra gestylt. Ich schaue nervös die Straße runter. Hoffentlich kommt jetzt niemand vorbei, den ich kenne! Hoffentlich zerstöre ich nicht Adrians und mein Leben, weil ich mich auf diesen kurzen Ausflug einlasse! Aber in beiden Richtungen ist alles ruhig, und ich warte höchstens eine Minute, bis ich das Motorrad höre. Gleich darauf biegt er um die Ecke und bleibt am Bürgersteig vor mir stehen.
Er nimmt den schwarz glänzenden Helm ab und lacht mich an. Seine Haare sind zerzaust.
»Hallo.«
Ich kann nicht antworten.
Unmöglich.
Ich kriege keinen Ton heraus, wie eine Dreizehnjährige, die bei der Schuldisco plötzlich vor ihrem Traumboy steht. Also probiere ich es erst einmal mit einem Lächeln, während ich meine ungehorsamen Stimmbänder zu sortieren versuche. Adrian reicht mir unterdessen einen weißen Helm und eine braune, speckige Lederjacke.
»Zieh die an. Es ist kälter, als man denkt.«
Mit einem Gefühl von totaler Unwirklichkeit ziehe ich mir die Jacke und den Helm an und klettere linkisch hinter Adrian auf den gepolsterten Sitz, der sich hinten nach oben neigt und mich regelrecht gegen ihn schiebt, obwohl ich krampfhaft versuche, ein bisschen Luft zwischen uns zu lassen.
»Bereit?«, fragt er.
»Ja«, stammele ich.
Dabei bin ich gar nicht sicher, ob ich das wirklich bin. Kann man sich auf so etwas überhaupt vorbereiten? Sein Duft füllt mich aus, die schwarze Lederjacke und sein Rücken an meinem Körper, die Nähe. Das Motorrad springt an und wir rollen los und ich darf mich nicht bloß an ihm festhalten, habe gar keine andere Wahl, ich muss .
»Lehn dich mit mir in die Kurven«, ermahnt er mich. »Nicht dagegenhalten und nicht in die andere Richtung lehnen, okay?«
»Okay.«
Adrian fährt ruhig die Järnvägsgatan runter, östlich am Videbergspark vorbei auf die Landstraße zum Badeplatz. Dort beschleunigt er. Anfangs habe ich noch Angst und verkrampfe mich, aber dann entspanne ich mich immer mehr und genieße den Geschwindigkeitsrausch und wie schnell die Straße unter uns wegsaust. Es ist schwindelerregend, durch den sommerlichen Abend zu rasen, die Arme um Adrians Taille geschlungen, die Dämmerung geht in Dunkelheit über, ist wie eine kurze Unterbrechung vor der Dämmerung. Ein kurzer Atemzug des nordischen Sommers, der keine Minute zu vergeuden hat, weil er jeden Augenblick der knapp bemessenen Zeit nutzen will, die ihm zur Verfügung steht.
Ich will nicht denken. Will einfach nur genießen, fahren. Meine Knie, die Außenseiten der Oberschenkel und die Handrücken werden vom Fahrtwind gekühlt, während Brust, Bauch, Unterleib und Handflächen verglühen. Wir machen einen Abstecher nach Evaldsnäs, wo ein paar Laternen die Straßen zwischen den ansonsten im Dunkeln liegenden Häusern erhellen, und fahren dann über Rotaby und Eket zur Landstraße zurück. Bei der Badestelle biegt Adrian auf den Parkplatz ab und hält an. Das Licht der einsamen Laterne an der Einfahrt spiegelt sich im Wasser und blinkt, wenn die Oberfläche sich kräuselt. Es ist fast schockartig still, als der Motor aus ist.
»Komm«, sagt Adrian. »Strecken wir die Beine ein bisschen aus, ehe wir nach Hause fahren. Man kriegt ziemlich steife Knochen, wenn man keine Motorradklamotten trägt, merkst du das?«
Ich nicke, nehme den Helm vom Kopf und strecke testend die Beine, ehe ich mit erheblicher Mühe das eine rückwärts über den Sattel hieve, um abzusteigen. Adrian stellt das Motorrad auf den Ständer, nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her durch das Gatter und über den Rasen zum Strand.
Auf dem Grillplatz riecht es nach Rauch, wahrscheinlich hat dort früher am Abend jemand gegrillt. Jetzt sind wir allein hier, und es ist so still, dass ich vor Schreck zusammenzucke, als kurz vor uns ein Vogel aufflattert und mit lang gezogenen, klagenden Schreien übers Wasser davonfliegt.
»Oje, wir haben ihn erschreckt«, sagt Adrian.
»Mich auch«, sage ich.
»Du meinst, der Vogel hat dich erschreckt?«
Ich lache leise. »Das auch. Aber wir erschrecken mich mehr – dass wir hier sind, du und ich, einfach so.«
Er nickt.
»Mich auch«, sagt er nur.
»Das Ganze wird plötzlich so wirklich«, sage ich. »Am Computer bist du nur ein Traum. Eine virtuelle Fantasie. Ein interaktives Spiel.«
Adrian sieht mich an. Seine braungrünen Augen sehen fast schwarz aus im Dunkeln. Aber die Straßenlaterne spiegelt sich als funkelnder
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