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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Diese mustergültigen Opferzahlen rührten gar nicht – wie von mir zunächst vermutet – von einer ungeheuren technischen Überlegenheit, sondern daher, dass man dort überhaupt nur eine Handvoll Männer hingeschickt hatte. Militärisch war das Ganze, so viel war auf den ersten Blick klar, völlig fragwürdig, die Menge der entsandten Truppen bemaß sich auch nicht am zu erreichenden Ziel, sondern nach bester parlamentarischer Manier daran, dass weder in der Bevölkerung noch bei den »Bundesgenossen« Unmut aufkommen sollte. Wie zu erwarten, wurde prompt beides nicht erreicht. Das einzige Resultat war, dass der Heldentod, das vornehmste Ende eines Soldatenlebens, praktisch nicht mehr stattfand. Trauergottesdienste wurden abgehalten, wo Freudenfeste angebracht gewesen wären, das deutsche Volk hielt es inzwischen für das Normalste, wenn Soldaten von der Front zurückkehrten, womöglich noch unversehrt!
    Wirklich erfreulich war nur eines: Der deutsche Jude war auch nach sechzig Jahren nachhaltig dezimiert. Etwa 100000 zählte man noch, gerade ein Fünftel des Vorkommens von 1933 – das Bedauern darüber hielt sich in Grenzen, was logisch schien, aber nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Angesichts des Aufschreis, den etwa das Schwinden des deutschen Waldes verursachte, hätte man hier ja auch eine Art semitischer »Wiederaufforstung« für möglich halten können. Doch Neuansiedlungen und die sonst vor allem bei Gebäuden beliebte sentimentalitätsbedingte Wiederherstellung alter Zustände (Dresdner Frauenkirche, Semperoper u.a.m.) war meines Wissens völlig ausgeblieben.
    Fraglos hatte die Schaffung eines Staates Israel hier eine gewisse Entlastung besorgt, sinnvollerweise hatte man den Staat inmitten arabischer Völker platziert, sodass alle Beteiligten auf Jahrzehnte und Jahrhunderte hinaus unablässig miteinander beschäftigt waren. Die – zweifellos ungewollte – Folge des Judenschwundes war zudem ein sogenanntes Wirtschaftswunder gewesen. Die demokratische Geschichtsschreibung rechnete das natürlich dem feisten Erhard und seinen angloamerikanischen Helfershelfern zu, jeder normale Mensch konnte allerdings sehen, dass dieser Wohlstand Hand in Hand mit dem Verschwinden der jüdischen Parasiten zusammenging. Wer es noch immer nicht hatte glauben mögen, brauchte nur in den östlichen Teil des Landes sehen, wo man – Gipfel der Idiotie – jahrzehntelang eigens den Bolschewisten und seine jüdischen Lehren importiert hatte.
    Da hätte man genauso gut eine Horde degenerierter Affen wirtschaften lassen können, die hätten es besser hinbekommen. Die sogenannte Wiedervereinigung hatte daran nichts gebessert, man hatte allenfalls den Eindruck, man hätte die Affen gegen andere Affen ausgetauscht. Es gab ein Millionenheer an Arbeitslosen und eine stumme Wut in der Bevölkerung, eine Unzufriedenheit mit den Zuständen, die mich an 1930 erinnerte, nur dass es damals dafür noch nicht dieses treffende Wort gab: »Politikverdrossenheit« – es besagte, dass man ein Volk wie das deutsche nicht unbegrenzt blenden kann.
    Anders ausgedrückt: Alles in allem war die Lage für mich hervorragend. So hervorragend, dass ich gleich beschloss, die Situation im Auslande genauer zu überprüfen. Leider wurde ich davon durch eine dringende Botschaft abgehalten. Jemand wandte sich unbekannterweise mit einem militärischen Problem an mich, und da ich ja derzeit gerade keinen Staat zu leiten hatte, beschloss ich kurzfristig, jenen Volksgenossen zu unterstützen. Die nächsten dreieinhalb Stunden verbrachte ich daher mit einer Minenräum-Übung namens Minesweeper .

xiv.
    N atürlich höre ich an dieser Stelle laut den Chor jener Reichsbedenkenträger, die aufheulen: Wie kann denn der Führer der nationalsozialistischen Bewegung in die Rundfunksendung eines Ali Wizgür hineingehen? Und ich kann diese Frage verstehen, wenn sie, sagen wir, aus einer künstlerischen Erwägung heraus gestellt wird, weil man natürlich große Kunst nicht durch Politik entstellen soll. Man ergänzt ja auch nicht die Mona Lisa mit einem Hakenkreuz. Aber es kann freilich das Gestammel irgendeines Conferenciers – und um einen solchen handelte es sich letztlich bei jenem Wizgür – niemals zu den Formen der Hochkultur zählen, eher im Gegenteil. Wenn aber die Bedenken von einer Richtung herrühren, die fürchtet, dass die nationale Sache unter einer Präsentation in einem solchen möglicherweise minderwertigen Zusammenhange litte, da muss ich

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