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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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dann entgegnen, dass es Dinge gibt, die die meisten Menschen rein vom Verstande her nicht begreifen können, auch nicht beurteilen. Es ist dieses eine Angelegenheit, in der man nun einmal dem Genius des Führers vertrauen muss.
    In der Tat muss ich an dieser Stelle eingestehen, dass ich in jenem Momente so etwas wie einem Missverständnis unterlag. Persönlich ging ich zu diesem Zeitpunkte noch davon aus, dass die Dame Bellini und ich gemeinsam zum Wohle Deutschlands an der Umsetzung meines Programms arbeiten wollten. Tatsächlich sprach jedoch die Dame Bellini fortwährend von nichts anderem als meinem vermeintlichen Bühnenprogramm. Aber ebendeshalb kann man hier wieder einmal erkennen, dass die reine, angeborene Begabung, der Instinkt des Führers, dem angelernten Wissen himmelweit überlegen ist. Während sich der mühsam kalkulierende Wissenschaftler, der angestrengt strebende Parlamentspolitiker nur zu leicht von oberflächlichen Sachverhalten ablenken lässt, spürt der wahrhaft Berufene unterschwellig den Ruf des Schicksals, selbst wenn ein Name wie Ali Wizgür dem vollkommen entgegengesetzt scheint. Tatsächlich glaube ich, dass hier die Vorsehung erneut eingegriffen hat wie damals 1941, als ein früher und extrem harter Wintereinbruch die Offensive in Russland bremste, bevor wir zu weit vorrückten – und uns so den Sieg schenkte.
    Oder geschenkt hätte, wenn meine unfähigen Generäle …
    Aber da rege ich mich gar nicht mehr auf.
    Das nächste Mal gehe ich das ganz anders an, mit einem Generalstab, treu ergeben, gezüchtet und aufgewachsen aus den Reihen meiner SS , dann ist das alles ein Klacks.
    Im Falle des Wizgür griff aber nun das Schicksal zum Missverständnis, um meine Entscheidung zu beschleunigen. Denn ich wäre, und das können sich die Kleinkrämer merken, ich wäre auch in seine Sendung gegangen, wenn ich gewusst hätte, um welches Produkt es sich dabei handelte – aber nach längerer Bedenkzeit, die mich vielleicht die Gelegenheit gekostet hätte. Ich habe schon frühzeitig Goebbels klargemacht, dass ich notfalls auch bereit bin, den Hanswurst zu geben, sofern ich nur die Aufmerksamkeit der Menschen bekomme. Denn man kann niemanden gewinnen, der einem nicht zuhört. Und Zuhörer brachte mir jener Wizgür zu Hunderttausenden.
    Bei rechtem Lichte betrachtet, war jener Wizgür einer jener »Künstler«, wie sie nur eine bürgerliche Demokratie hervorbringen konnte. Aufgrund genetischer Vermischung paarte sich hier welsches, ja asiatisches Aussehen mit tadellosem, wenn auch in schwer erträglichen Dialekt gefärbtem Deutsch. Diese Mischung gerade schien es, die jenem Wizgür seine Funktion ermöglichte. Sie entsprach in etwa der jener weißen Schauspieler, die sich in den USA schwarz schminkten, um Rollen als Darsteller für dümmliche Neger zu erhalten. Die Parallele war augenfällig, nur handelte es sich in diesem Falle nicht um den Konsum von Negerscherzen, sondern um den von Ausländerwitzen. An diesen schien ein derartiger Bedarf zu herrschen, dass es gleich mehrere dieser Rassekomödianten gab. Begreiflich war das nicht. In meinen Augen ist der Rasse- oder Ausländerwitz ein Widerspruch in sich. Zur Verdeutlichung mag ein Scherzwort dienen, das mir ein Kamerad 1922 erzählt hat.
    Es begegnen sich zwei Veteranen.
    »Wo sind Sie denn verwundet worden?«, fragt der eine.
    »An den Dardanellen«, sagt der zweite.
    Antwortet der erste: »Gerade da soll es ja so schmerzhaft sein!«
    Ein heiteres Missverständnis, das ohne weitere Schwierigkeiten jeder Soldat zum Besten geben kann. Durch Austausch des Personals kann der heitere und sogar auch der belehrende Effekt verändert werden. Er lässt sich steigern, wenn man zum Beispiel die Rolle des Fragenden mit einem notorischen Besserwisser besetzt, sagen wir Roosevelt oder Bethmann-Hollweg. Wenn man nun aber annimmt, der dumme Fragende wäre kein Veteran, sondern ein Silberfischchen, fehlt die Heiterkeit sofort, da jeder Zuhörer denkt: Wie soll das Silberfischchen wissen, wo die Dardanellen sind?
    Ein Dummer, der dumme Dinge tut, ist nicht komisch. Ein guter Witz braucht eine Überraschung, damit er seine belehrende Wirkung in größtem Umfange entfalten kann. Und natürlich kann es nicht überraschen, dass ein Türke ein Einfaltspinsel ist. Freilich, nähme der Türke in dem Witze allenthalben die Rolle des genialen Wissenschaftlers ein, dann wäre schon aufgrund der Absurdität ein Heiterkeitserfolg gewiss. Derartige Witze erzählte

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