Er liebt mich, er liebt mich nicht - Gibson, R: Er liebt mich, er liebt mich nicht - Daisy's Back in Town
seine Mutter sorgfältig aufbewahrt hatte, lagen im ganzen Zimmer verstreut.
»Was suchst du denn?«, fragte Billy und griff nach einer der Kisten.
Jack hatte nicht einmal bemerkt, dass Billy ihm gefolgt war. »Moms und Dads Hochzeitsalbum. Das Foto ist in ihrem Album.«
In der fünften Kiste fanden sie schließlich das Album. Der Einband war mit Spitze und Seidenblumen verziert, diesem Mädchenkram, den seine Mutter so gemocht hatte. Die Spitze war vergilbt, die Blumen platt gedrückt. Jack schlug das Album auf. Das Zellophan über den Seiten klebte nicht mehr richtig, so dass sich die Fotos übereinander schoben. Das Bild, nach dem Jack suchte, fiel heraus. Er ging in die Knie und hob das Schwarzweißfoto seines Vaters im Alter von siebzehn Jahren auf. Auf einer Ecke des Fotos stand mit inzwischen verblasster Tinte Meinem liebsten Mädchen Carolee. In Liebe, Ray .
Jack stand auf und starrte auf das Foto. Er hatte es sich nicht eingebildet. Hätte sein Vater auf dem Foto eine Igelfrisur und einen Lippenring, sähe er Nathan Monroe verdammt ähnlich. Aber der Junge war nicht Nathan Monroe. Er war ein Parrish.
Billy trat hinter Jack und sah ihm über die Schulter. Sein Pfiff hallte laut von den Wänden des leeren Zimmers wider. »Ob Steven es gewusst hat?«
Jack zuckte die Achseln. Daisy war im dritten Monat
schwanger gewesen; irgendwann musste es Steven klar geworden sein. Er verließ das Gästezimmer und ging den Flur entlang in die Küche. Dort öffnete er einen Schrank und zog Stevens Brief zwischen den Kaffeebechern hervor, wo er ihn am Sonnabend hingelegt hatte. Das Foto von seinem Vater noch in der Hand, riss er den Umschlag auf und las:
Jack,
bitte verzeih meine Handschrift und die Fehler. Je weiter meine Krankheit fortschreitet, desto schwerer fällt es mir, mich zu konzentrieren. Ich hoffe von Herzen, dass du diesen Brief nie zu sehen bekommst. Dass ich die Krankheit besiege und dir all diese Dinge persönlich sagen kann, wenn ich wieder gesund bin. Für den Fall, dass das nicht so ist, möchte ich meine Gedanken niederschreiben, bevor ich nicht mehr dazu in der Lage bin.
Als Erstes will ich dir sagen, dass du mir gefehlt hast, Jack. Ich weiß nicht, ob ich dir auch gefehlt habe und ob du mir verziehen hast, aber ich habe meinen Freund vermisst. So oft wollte ich dich in den letzten fünfzehn Jahren anrufen und mit dir reden. So oft musste ich beim Gedanken an all den Unsinn, den wir angestellt haben, in mich hineinlachen. Neulich habe ich zwei Jungen im Regen auf ihren Fahrrädern gesehen und musste an die Zeiten denken, als wir bei regelrechten Wolkenbrüchen mit den Fahrrädern unterwegs waren. Auf der Suche nach den tiefsten Pfützen in Lovett herumgekurvt sind. Oder an die Zeiten, als wir auf dem Sofa meiner Mutter gesessen, uns die alten Andy Griffith Shows angesehen und uns vor Lachen gekrümmt haben, als Barney sich im Gefängnis eingesperrt hatte. Ich glaube, wenn ich so still für mich allein lache, fehlst du mir am meisten. Und ich weiß, dass es meine
Schuld ist. So oft habe ich mich einsam gefühlt, weil ich dich, meinen besten Freund, verloren habe.
Ich habe nie den Tag vergessen, an dem wir uns zum letzten Mal gesehen haben, auch nicht die schrecklichen Dinge, die wir uns an den Kopf geworfen haben. Ich habe Daisy geheiratet, und du hast sie geliebt. Aber ich habe sie auch geliebt, Jack. Ich liebe sie immer noch. Nach all diesen Jahren liebe ich sie immer noch genauso wie am Tag unserer Hochzeit. Ich weiß, dass sie mich liebt. Ich weiß, dass sie mich immer geliebt hat, und trotzdem hat sie manchmal diesen wehmütigen Blick, und dann frage ich mich, ob sie in diesen Augenblicken an dich denkt. Ich frage mich, ob es ihr Leid tut, dass sie sich entschieden hat, mit mir nach Seattle zu ziehen. Ich frage mich, ob sie sich ausmalt, wie ihr Leben an deiner Seite ausgesehen hätte, und ob sie dich noch genauso liebt wie damals. Falls es ein Trost für dich ist, sollst du wissen, dass ich meine eigene kleine Hölle durchlebt habe, weil ich weiß, wie sehr sie dich geliebt hat und es vielleicht immer noch tut.
Am Tag unserer Abreise aus Lovett war Daisy im dritten Monat schwanger, mit deinem Kind. Inzwischen wird sie dir all das bereits erzählt haben. Als sie zu mir gekommen ist und es mir gesagt hat, hatte sie große Angst und glaubte, du liebst sie nicht mehr. Ich habe sie in dem Glauben gelassen, obwohl ich vermutet habe, dass es nicht stimmte. Sie dachte, es sei das Beste, dir
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