Er liebt mich, er liebt mich nicht - Gibson, R: Er liebt mich, er liebt mich nicht - Daisy's Back in Town
explodiere er jede Sekunde.
»Was hast du denn, Schätzchen?« Louella hielt inne, um sich um Pippen zu kümmern. »Ach, du willst deine Mütze? Daisy, Liebling, wo ist Pips Mütze?«
Daisy war so angespannt, dass sie kaum eine Antwort zustande bekam. »Wahrscheinlich in deinem Schlafzimmer. «
»Geh und sieh auf Omas Bett nach.«
»Du gehen«, verlangte Pippen mit piepsiger Stimme.
»Wir gehen zusammen.«
Daisy löste den Blick nicht vom Fenster, als ihre Mutter mit Pippen das Zimmer verließ. Stattdessen griff sie in die Vorhänge aus blauem Samt und legte ihre Stirn an die kühle Scheibe. Vermutlich hatte Jack Nathan aufgestöbert. In ihrem Kopf spielten sich alle möglichen Szenarien ab – von der Vorstellung, wie die beiden irgendwo beisammensaßen und redeten, bis zur Horrorvision, dass Jack Nathan entführt und ihn irgendwohin verschleppt hatte, wo sie ihn niemals finden würde. Letzteres erschien ihr zwar eher unwahrscheinlich, aber bei Jack konnte man nie sicher sein.
Sie öffnete die Haustür und suchte mit den Augen die Straße ab – weder von Nathan noch Jack eine Spur.
»Mach die Tür zu«, sagte ihre Mutter, als sie zurück ins Zimmer kam. Daisy musterte Louella in ihrer pinkfarbenen, mit falschen Perlen bestickten Bluse und dem Bauernrock aus Jeansstoff. Neben ihr stand Pippen in Latzhosen und mit der Waschbärmütze auf dem Kopf.
»Heute Nachmittag, als ich aus dem Krankenhaus gekommen
bin, wurde gerade Bud Lingo eingeliefert«, nahm ihre Mutter den Faden wieder auf. »Anscheinend hatte er einen Herzinfarkt, als er mit Azalea zusammen war. Ich konnte nicht länger im Krankenhaus bleiben, aber ich bin schon mächtig neugierig, was passiert, wenn Buds Frau aus Amarillo herkommt.« Louella trat zu dem Schränkchen, in dem sie ihre Videokassetten aufbewahrte, und öffnete es. »Und ihre jüngste Tochter, Bonnie, war auch da. Das ist die, die am letzten Valentinstag dieses fürchterlich hässliche Kind bekommen hat. Großer Gott, als ich in der Kirche die Wolldecke zurückgeschlagen habe, hätte ich beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Es war völlig kahl und rosa und dünn wie eine neugeborene Ratte, das arme Ding. Natürlich habe ich geschwindelt und behauptet, es wäre süß und niedlich. Bonnie kennst du, oder? Klein. Dunkles Haar …«
Ihre Mutter war anscheinend wild entschlossen, Daisys Kopf endgültig zum Zerplatzen zu bringen. Daisy trat hinaus auf die Veranda und schloss die Tür hinter sich. Sie setzte sich auf die oberste Treppenstufe und lehnte sich an den weißen Stützpfeiler. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ihr Kopf dröhnte, und die Geduld war ihr schon vor einiger Zeit abhanden gekommen. Es war kurz vor ein Uhr nachmittags, und sie wusste, dass der Tag nur noch schlimmer werden konnte. Jack hasste sie und würde ihr das Leben zur Hölle machen, wie er es ihr am Abend ihres ersten Besuchs versprochen hatte. Auch wenn sie seine Wut auf sie verstand, konnte sie doch nicht zulassen, dass das Ganze eskalierte. Denn in diesem Fall würde genau derjenige am meisten leiden müssen, der völlig unschuldig war. Nathan.
Sie starrte auf ihre bloßen Füße mit den roten Zehennägeln hinunter. Zum ersten Mal bemerkte sie die deutlich sichtbaren Druckmale auf ihren Oberschenkeln. Sie
brauchte sich nicht zu fragen, woher sie kamen. Jack. Er hatte sein Zeichen hinterlassen, das auch lange nach ihrer Begegnung noch blieb.
Fast symbolisch, dachte sie. Jack hatte ihr auch schon viele Jahre zuvor sein Zeichen aufgedrückt, und damit meinte sie nicht Nathan. Er hatte sie gezeichnet, dort, wo niemand es sehen konnte. Er hatte ein unauslöschliches Zeichen in ihr Herz und ihre Seele eingebrannt. Ein Zeichen, das nicht annähernd so verblasst war, wie sie gedacht hatte, wie weit sie sich auch entfernt hatte und wie lange sie fern geblieben war.
Trotz allem, was er für sie empfand, hatte sie schreckliche Angst, sich erneut in Jack zu verlieben. Sie erkannte die Anzeichen, ebenso wie sie wusste, dass sie es nicht zulassen durfte.
Je eher sie mit Nathan die Stadt verließ, desto besser. Jack wusste jetzt, dass er einen Sohn hatte. Er konnte anrufen oder schreiben oder ihn irgendwann einmal in Seattle besuchen. Lilys Zustand wurde von Tag zu Tag besser, und sie würde schon bald entlassen werden, aber sie war immer noch nicht wieder klar bei Verstand.
Etwa einen halben Block entfernt hörte sie das unverkennbare Dröhnen von Jacks Mustang. Sie hob den Kopf und blickte dem schwarzen Wagen
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